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Die Energiewende in Deutschland macht eine Vergrößerung und Modernisierung der „Stromautobahnen“ notwendig. Ein intelligentes Verteilnetz könnte schließlich auch attraktiv für andere europäische Staaten werden. Kabelhersteller dürfen auf zahlreiche Aufträge hoffen. Eine Branche auf der Überholspur.

Rund drei Jahre liegt die Nuklearkatastrophe im japanischen Fukushima zurück. Ein Erdbeben hatte schwere Störfälle im Kernkraftwerk Daiichi ausgelöst. In mehreren Blöcken kam es zu Kernschmelzen. Es folgte die atomare Verseuchung einer Region. Anders als die meisten europäischen Staaten zog die deutsche Regierung unmittelbar danach Konsequenzen. Die Bundesregierung kündigte die Abkehr von der Atomkraft und die Förderung erneuerbarer Energien an.

Energiewende als Paukenschlag
Für die europäischen Länder war die Energiewende Deutschlands ein Paukenschlag. Während sich Europa verwundert die Augen reibt nach dem drastischen Schritt und dem Alleingang, arbeiten Politik und Wirtschaft in Deutschland an einer Umsetzung der Energiewende. In den europäischen Ländern fallen dagegen vergleichbare Vorhaben wesentlich kleiner aus. Andere verzichten komplett auf eine Wende.

Fest steht: Das Stromnetz muss deutlich ausgebaut werden und neue, umweltfreundliche Kraftwerke werden entstehen – die Kabelhersteller dürfen nun liefern. Für sie wird die Wende zum Glücksfall.

Doch Vorreiter zu sein, ist nicht immer einfach. Denn die Umsetzung erweist sich schwieriger als gedacht. Das ergibt sich allein schon aus den Zahlen einer Netzstudie der Deutschen Energieagentur (dena) von Ende 2010, als der Anteil der erneuerbaren Energien bei rund 20 Prozent lag. Bis 2020 soll er auf über 30 Prozent steigen. Hintergrund ist auch, dass 2022 das letzte deutsche Atomkraftwerk vom Netz gehen soll. Auf Energieerzeuger und Netzbetreiber wartet in den nächsten Jahren also ein wahrer Kraftakt.

Neue Hochspannungsleitungen
Realisierbar ist das ambitionierte Vorhaben nur mit zusätzlichen 3600 Kilometer langen neuen Hochspannungsleitungen in Deutschland. Insgesamt 36 Ausbau- und Netzverstärkungsprojekte stehen zur Diskussion – bei Gesamtkosten von mindestens zehn Milliarden Euro. Eine ausreichende Stromtransport- und Stromspeicherkapazität gilt es nun, deutschlandweit zu schaffen. Die Höhe der Kosten schwankt allerdings: Werden die Leitungen als Erdkabel verlegt, erhöhen sich die Kosten.

Zu einem Eckpfeiler der bundesweiten Versorgung mit zunehmend mehr erneuerbaren Energien werden also so genannte Stromautobahnen, die in der Regel vom Norden in den Süden Deutschlands führen. Der Ausbau der Windenergie an Land und vor den Küsten im Norden des Landes macht zusätzliche Stromleitungen notwendig. Aufwändige Planfeststellungsverfahren und Beteiligungen der Bürger müssen aber erst erfolgreich umgesetzt werden.

Überzeugungsarbeit notwendig
Nur wenn die Planer hierbei gewissenhaft vorgehen und auf die Einbeziehung der Anwohner achten, können sie ein Scheitern wie bei dem Bahnhofsprojekt „Stuttgart 21“ vermeiden. Fakt ist: Es gibt Widerstände, vor allem in Bayern, das durch die zahlreichen Starkstrom-Überlandleitungen eine „Zerspargelung“ seiner Landschaft befürchtet. Überzeugungsarbeit ist noch zu leisten.

Zu einem der größten Leitungsprojekte für die Energiewende gehört die Suedlink-Verbindung. Die Gleichstrom-Höchstspannungsverbindung soll ab 2022 erneuerbare Energie von Schleswig-Holstein in die verbrauchsstarken Regionen nach Bayern und Baden-Württemberg transportieren. Geplant und gebaut wird die mit 800 Kilometern längste Strombrücke Deutschlands als Gemeinschaftsprojekt von den beiden deutschen Übertragungsnetzbetreibern TenneT/Bayreuth und TransnetBW/Stuttgart.

Großprojekt Suedlink
Die Betreiber zeigen sich – natürlich – überzeugt von dem Vorhaben. „Mit dieser Verbindung werden wir die Hauptschlagader der Energiewende bauen, die regenerativen Windstrom vom Norden in den Süden Deutschlands bringen wird. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgung der Zukunft“, erklärte Martin Fuchs, Vorsitzender der Geschäftsführung von TenneT. „Für uns hier im Süden Deutschlands ist die Verbindung besonders wichtig. Sie wird die Versorgung der Region mit Energie sichern, wenn immer mehr Erzeugung aus Kohle oder Kernkraft vom Netz geht“, so Rainer Joswig, Geschäftsführer der TransnetBW GmbH.

Verwendet wird für die Suedlink-Verbindung die Technik der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ). Sie eignet sich insbesondere für den Stromtransport über große Entfernungen. Zum Einsatz kommen damit sonst unübliche Stromnetze. Auf die sonst gängige Wechselstromtechnik wird verzichtet, da sie bei langen Strecken zu höheren Energieverlusten führen würde.

Verbindung nach Norwegen
Die HGÜ der Suedlink werde, so die Betreiber der geplanten Netzlinie, in Deutschland eine wichtige Rolle beim überregionalen Ausgleich von erneuerbaren Energien spielen. Entsprechend hoch sind die Forderungen an die Kabelhersteller, die das hierfür geeignete Leitungsmaterial liefern müssen. Suedlink soll größtenteils als Freileitung mit einer Gleichspannung von rund 500 kV betrieben werden und eine Übertragungskapazität von vier Gigawatt besitzen, jeweils zwei Gigawatt pro Trasse. Der Baubeginn ist für 2016 geplant, die Fertigstellung für 2022.

Nicht minder gering werden die Anforderungen an Kabel für das Projekt „Nordlink“ sein, deren Inbetriebnahme für 2018 vorgesehen ist, falls sämtliche Genehmigungen rechtzeitig vorliegen. Nordlink soll die Stromnetze in Deutschland und Norwegen direkt miteinander verbinden. Ziel ist es, die norwegische Wasserkraft für Deutschland nutzbar zu machen, womit sie zu einem „soliden Baustein unserer Energiewende“ werde, betont Robert Habeck, Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und Ländliche Räume in Schleswig-Holstein. „Wenn der Wind einmal nicht oder kaum weht, können wir verlässlich Strom aus norwegischer Wasserkraft beziehen, statt Kohlekraftwerke in Reserve halten zu müssen.“ Oder anders ausgedrückt: „Ein europäisches Netz wird helfen, die wetterabhängige unterschiedliche Einspeisung von Wind und Solarstrom zwischen den Regionen auszugleichen“, unterstreicht Rainer Baake, Direktor der Agora Energiewende. Bei hoher Einspeisung von Windkraft in Deutschland kann diese in norwegischen Speicherkraftwerken zwischengespeichert werden.

410 Meter tief liegende Kabel
Als Übertragungskapazität sind bis zu 1400 MW zwischen dem deutschen Bundesland Schleswig-Holstein und Südnorwegen vorgesehen. Die zwischen 35 und 50 kg/m schweren Kabel werden bis zu 410 Meter tief auf dem Nordseeboden liegen. Der Durchmesser des Kabels soll rund elf bis 13 Zentimeter betragen. Als Spannung sind Werte zwischen rund 450 und 525 kV vorgesehen. Da die Stromversorgung in Deutschland und Norwegen auf Wechselstrom basiert, müssen in beiden Ländern Stromrichterstationen gebaut werden, die den Wechselstrom in Gleichstrom umwandeln. Hiermit soll der Energieverlust minimiert werden, der andernfalls auf langen Strecken eintreten könnte.

Das Kabel der Nordlink wird von einem speziellen Kabelverlegungsschiff auf dem Meeresboden verlegt. Ein Hydraulikpflug hebt dabei auf dem Meeresboden einen Graben aus, in dem das Kabel vergraben und mit dem Aushub bedeckt wird. In Bereichen mit steinernem Meeresboden kann das Kabel durch Steinversenkung geschützt werden.

Nordlink ist damit ein Beispiel dafür, dass die deutsche Energiewende letztlich ein Stück weit zu einem europäischen Projekt wird. Außerdem gibt es Pläne, 2020 ein zweites Kabel nach Großbritannien zu verlegen. Womit es einen Ansatz für ein europäisches Netz gibt. Auch hier dürfen Kabelhersteller mit weiteren Großaufträgen rechnen.

Dezentrale Energieerzeugung
Eine weitere wichtige Strategie für die Energiewende ist eine verstärkte dezentrale Energieerzeugung. Der Energieanbieter RWE Deutschland hat sich hierauf strategisch eingerichtet und unterstützt Eigenheimbesitzer, kommunale Einrichtungen und Betriebe. Sie werden selbst zu Erzeugern und Verteilern von Energie. Die Folge ist, dass die Verteilnetze zukünftig ein Mehrfaches an Strom aus neu entstehenden, dezentralen Erzeugungsanlagen aufnähmen und zugleich Schwankungen aus Sonnen- und Windkraft standhalten müssten. Im ländlichen Raum wird daher der Um- und Ausbau der Netze vorangetrieben.

Außerdem muss das Verteilnetz mit Blick auf Energieschwankungen noch intelligenter gestaltet werden. Bei dem von der EU geförderten Forschungs- und Entwicklungsprojekt Grid4EU baut RWE das Mittelspannungs-Stromnetz in Reken im Bundesland Nordrhein-Westfalen so um, dass es künftig flexibel auf die Einspeisung von regenerativen Energien reagieren kann. Hierfür werden Betriebsmittel eingesetzt, die als „Agenten“ im Netz diese Funktion ermöglichen. Das Ergebnis ist ein intelligentes Netz, ein „smart grid“. Weitere Grid-Projekte der EU werden beispielsweise im schwedischen Uppsala und im spanischen Castellón geschultert. Es wird deren Potenzial für die Integration von etwa erneuerbaren Energien in das Stromnetz getestet.

In Betrieb gegangen sind ein intelligentes Stromnetz und ein Stromspeicher auf der Nordseeinsel Pellworm. Die lokale Speicherung von regenerativ erzeugtem Strom sowie der Betrieb eines intelligenten Stromnetzes werden hier beispielhaft erprobt und weiterentwickelt. „SmartRegion Pellworm“ ist das erste intelligente Stromnetz Norddeutschlands.

Längstes HTS-Kabel der Welt
Auch die Leistungsfähigkeit der Kabel wird vorangetrieben, die Effizienz gilt es zu erhöhen. Ein ambitioniertes Projekt ist in diesem Zusammenhang „AmpaCity“. Seit April 2013 wird in der Stadt Essen das derzeit weltweit längste Hochtemperatur-Supraleitkabel (HTS-Kabel) unter die Erde gelegt: Ein modernes 10.000-Volt-Supraleitkabel löst auf einem Kilometer Länge die herkömmlichen 110.000-Volt-Leitungen zwischen zwei Umspannstationen in der Essener Innenstadt ab. „Supraleitkabel gelten als zukunftsweisende Lösung für eine platzsparende und besonders energieeffiziente Übertragung von Strom in Städten“, so RWE. Der flächendeckende und wirtschaftliche Einsatz von Supraleitern wird nach Meinung von Experten schon in wenigen Jahren möglich sein.

Auf die Kabelhersteller warten aber nicht nur Aufträge durch den Bedarf an neuen oder auch moderneren Verteilnetzen, sondern auch durch neue Energieanlagen. Vor allem Windparks erfordern geeignete Kabel. So schloss beispielsweise TenneT den Windpark Riffgat vor der Küste Borkums an. Seit Februar fließt nachhaltiger Windstrom von See an Land. Nach alpha ventus ist dieses Projekt die zweite Offshore-Netzanbindung bei TenneT in Drehstromtechnik. Bei dem Anschluss handelt es sich um eine insgesamt 80 Kilometer lange 155-Kilovolt-Verbindung, die im Umspannwerk Emden/Borssum ins 220-kV-Netz eingebunden wird. Das Umspannwerk musste hierfür erweitert werden. Die installierte Leistung liegt bei 108 MW. Neben rund 50 Kilometern Seekabeln wurden 30 Kilometer Landkabel verlegt.

Role Model für Europa?
Deutschland hat sich mit der umfassenden Energiewende eine Mammutaufgabe aufgebürdet. Was die Stromnetze angeht, liegen vor allen Beteiligten – Regierung, Energiekonzerne und Kabelhersteller – große Herausforderungen. Doch sollte die Umstellung erfolgreich sein, wird sie vielleicht bei weiteren Staaten zu einer Wende bei der Energieerzeugung führen. Ein Erfolgsmodell, das den Kabelherstellern in ganz Europa lukrative Aufträge bescheren würde.

Weitere Innovationen aus der Draht- und Kabelindustrie werden auf der wire, Internationale Fachmesse Draht und Kabel, vom 7. bis 11. April 2014 auf dem Düsseldorfer Messegelände gezeigt.

Presse-Kontakt wire 2014:
Petra Hartmann-Bresgen M.A.
Kathrin Kleophas van den Bongardt
Tel.: +49 (0)211/4560-541
Tel.: +49 (0)211/4560-544
Fax: +49 (0)211/4560-87 541/-87 544
E-Mail: HartmannP@messe-duesseldorf.de
E-Mail: KleophasvandenBongardtK@messe-duesseldorf.de

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