Die Draht- und drahtverarbeitende Industrie und die Fachmesse wire, Draht und die daraus hergestellten Produkte wie Kabel, Federn, Schrauben oder Drahtseile sind aus der heutigen Welt nicht wegzudenken. Diese und weitere Erzeugnisse der Draht-, Kabel- und drahtverarbeitenden Industrie werden benötigt, um elektrischen Strom, elektronische Daten oder mechanische Kräfte zu übertragen. Die allgemeine Entwicklung und die Fortschritte in der Drahtindustrie sind eng miteinander verflochten. Über das schon Erreichte und das technisch Mögliche informiert alle zwei Jahre die internationale Branchenleitmesse wire.
Tendenzen
Hoher Leistungs- und Kostendruck prägt die Draht- und drahtverarbeitende Industrie seit langem. Um sich wirtschaftlich behaupten zu können, müssen Unternehmen flexibel auf die Markt- und Kundenanforderungen reagieren und möglichst kosteneffizient fertigen können, was moderne, dem aktuellen Stand der Technik entsprechende Fertigungsmittel voraussetzt. Zu den Tendenzen, die man beobachten kann, gehört der sparsamer Verbrauch an Energie, aber auch ein effizienter Umgang mit den Rohstoffen. Dies erreicht man dadurch, dass möglichst wenig Ausschuss beim Anfahren und während der Fertigung entsteht und die zulässigen Fertigungstoleranzen möglichst wenig ausgenutzt werden. Für bestimmte Anwendungen, beispielsweise wie im Automobilbereich, werden Kupferleiter werden zunehmend durch Aluminiumleiter ersetzt, das wegen seiner guten Verfügbarkeit preiswerter als Kupfer ist und sich durch sein vergleichsweise geringeres Gewicht auszeichnet.
Eine andere Tendenz ist, dass Drahthersteller und -verarbeiter von ihren Zulieferern, vor allem aus dem Maschinenbau, möglichst viele Leistungen aus einer Hand, eine umfassende, jederzeit einsatzbereite Kundenbetreuung und eine rasche Belieferung mit Ersatzteilen erwarten. Große Maschinenfabriken unter den wire-Ausstellern wie Wafios und Niehoff haben sich längst vom „klassischen“ Maschinenbauer zu System- und Technologiepartnern entwickelt und bieten ganzheitliche, auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Kunden abgestimmte Lösungen an.
Innovative Fertigungstechnik
An die Formgenauigkeit von Drahtteilen werden immer höhere Anforderungen gestellt. Seit langem arbeiten Fachleute daran, Rückfederungs-Phänomene in den Griff zu bekommen, die sich beispielsweise darin äußern, dass es nach dem Biegen eines Drahtteils zu einem Auffedern kommt. Die Maschinenfabrik Wafios erregte auf wire 2012 mit der neuen Software-Produktfamilie „iQ“ Aufsehen, die etliche fortschrittliche Steuerungsfunktionen umfasst: Mit Hilfe der an modernen Wafios-Maschinen schon vorhandenen Sensortechnik kann bei der Fertigung von Biegeteilen die Rückfederung analysiert und steuerungstechnisch korrigiert werden. „iQ“-Programme helfen auch, die Einrichtezeit, Prozessgeschwindigkeit, Verfügbarkeit und damit letztlich die Leistungsfähigkeit von Maschinen weiter zu optimieren. Auf dem Gebiet der „Hardware“ präsentierte Wafios acht Maschinen, allesamt Weltpremieren, für die Bereiche Drahtbiegen, Fertigen von Spiral- und Schenkelfedern, Herstellen von Nägeln sowie Richten von Glatt- und Betonstahl.
Die allgemeine technische Weiterentwicklung bringt es auch mit sich, dass Kabel und Leitungen mit einem zunehmend komplexen Aufbau verlangt werden. In ihrer Ausgabe vom Oktober 2012 beschreibt die Fachzeitschrift Draht Fortschritte auf diesem Gebiet. Behandelt wird unter anderem das DSI-Verseilanlagenkonzept der Maschinenfabrik Niehoff, nach dem Automobilleitungen, Gebäudekabel und Spezialkabel wie Bus-, Daten-, Sensor-, Signal-, LAN- und Instrumentationskabel hergestellt werden können. Die Verseilmaschinen der DSI-Baureihe, von denen ein Modell auf der wire 2012 vorgeführt wurde, lassen sich mit Aggregaten wie Doppelschlag-Rückdrehabläufen, Längsbandabläufen, Vordrallierern und anderen Systemen zu kompletten, perfekt auf die Wünsche der Anwender abgestimmten Anlagen kombinieren, die jederzeit neu konfiguriert werden können. Je nach Konfiguration können in einem Durchlauf bis zu drei Folien unter kontrollierter Spannung auf ein Kabel aufgebracht werden. Mit dem optionalen „Triple Twist“-Modus kann die Verseilgeschwindigkeit und somit die Produktionskapazität beträchtlich gesteigert werden.
Auch die von der Kieselstein-Gruppe, Nachfolger des Drahtziehmaschinen-Herstellers Herborn+Breitenbach, gebauten Mehrfachziehmaschinen Typ Rubin zur Herstellung von Draht aus Stahl und Stahllegierungen bieten aufgrund eines Baukastensystems viel Flexibilität in der Konfiguration. Auf der wire 2012 wurde auch eine Ziehschäleinheit vorgestellt, die in Ziehmaschinen integriert werden kann und zu einem verhältnismäßig geringen Investitionsaufwand die Oberflächenqualität des gezogenen Drahtes deutlich verbessert. Kieselstein hat mit zwei Forschungsinstituten auch ein Verfahren entwickelt, mit dem sich dreidimensionale Drahtgewebe herstellen lassen, und wurde dafür im Juni 2012 vom Stahl-Informationszentrum, Düsseldorf, mit der Auszeichnung Stahl-Innovationspreis 2012 in der Kategorie „Forschung und Entwicklung“ gewürdigt.
Innovative Draht- und Kabelprodukte
Das 3D-Drahtgewebe „strucwire“ wird aus ineinander gedrehten Drahtspiralen aufgebaut, die formschlüssig miteinander verbunden sind, und kann auch in Sandwichstrukturen eingearbeitet werden. Es zeichnet sich durch ein niedriges spezifisches Gewicht und maßgeschneiderte thermomechanische Eigenschaften aus und hat hat außerdem funktionelle Merkmale wie hohe Energieabsorption, gutes Dämpfungsverhalten, geringe Wärmeleitfähigkeit und große Oberfläche. Damit eröffnen sich diesen 3D-Elementen neue Anwendungsgebiete im Leichtbau und in der Automobilindustrie, aber auch im Behälterbau, in der Chemietechnik oder in der Medizintechnik. So sind Wirbelsäulenimplantate aus einer titanbasierten 3D-Drahtstruktur denkbar, deren mechanischen Eigenschaften an den natürlichen Knochen anpasst sind. Gegenüber anderen zellularen Materialien haben die 3D-Drahtstrukturen auch den Vorteil, dass ihr Aufbau reproduzierbar und eine Berechnung der Eigenschaften möglich ist.
Auch der Kabelsektor bietet noch Raum für spektakuläre Neuentwicklungen. So hat der Kabelhersteller Nexans hat zwei Lösungen entwickelt, mit denen dem zunehmenden Diebstahl von Eisenbahnkabeln Einhalt geboten werden kann. Diese Kabel sind in besonderer Weise diebstahlgefährdet, weil sie gut sichtbar und meist frei zugänglich entlang von Gleisen verlegt sind. Darüber hinaus bestehen ihre Leiter vollständig aus Kupfer, das einen hohen Marktwert hat. Eine Lösung besteht darin, den Marktwert der Kabel im Falle eines Diebstahls zu verringern, indem der Kupfer-Zentralleiter durch eine mehrdrähtige Bewehrung aus Kupfer und verzinktem Stahl und eine Polyethylen-Ummantelung geschützt wird. Der Stahldraht macht es Dieben sehr schwer, das Kabel mit herkömmlichen Werkzeugen abzuschneiden. Außerdem ist es praktisch unmöglich, das Kupfer vom Stahl zu trennen, so dass das gestohlene Kupfer auf dem Schwarzmarkt deutlich an Wert einbüßt. Die andere Lösung besteht in einem feuerfesten Kupferband mit speziellen Markierungen. Dank der Markierung kann die Herkunft von gestohlenem Kupfer, das einem Schrotthändler angeboten wird, leichter rückverfolgt werden. Da das Band auf der gesamten Länge des Leiters angebracht wird, gibt es praktisch keine Möglichkeit, das Band zu entfernen.
Die Fachmesse wire: eine Erfolgsgeschichte
Die Fachmesse wire, die internationale Branchenleitmesse für alle Bereiche der Draht-, drahtverarbeitenden und Kabelindustrie, ist der Ort, wo alle international namhaften Hersteller von Draht- und Kabelmaschinen und Zubehör ihre Neuheiten erstmals der Fachwelt präsentieren. 1.313 Aussteller aus 50 Ländern beteiligten sich an der wire 2012 und belegten eine Fläche von über 57.000 m². Die nächste wire findet vom 7. bis 11. April 2014 breits zum 15ten Mal in Düsseldorf statt. Synergieeffekte ergeben sich durch die zeitliche und räumliche Parallelität zur internationalen Rohrfachmesse Tube.