Kaum abzufedern war die Weltwirtschaftskrise am Ende des vergangenen Jahrzehnts. Das galt in besonderem Maße für die Automobilbranche, die in ihrem Wachstum ausgebremst wurde. Als Zuliefererbranche erwischte es die Federnhersteller mit voller Wucht. Jetzt haben sich die Vorzeichen gedreht: Seit dem vergangenen Rekordjahr der Autohersteller schnurren auch wieder die Anlagen ihrer Lieferanten.
Automobilbranche fährt auf Rekordkurs
Das Wohl und Wehe der Federnindustrie hängt zu einem beträchtlichen Teil von der Automotive-Branche ab. Laut Verband der deutschen Federnindustrie e.V. (VDFI) sind 62 Prozent der Abnehmer eben in jener Branche einschließlich deren Zulieferer zu finden. Umso erfreulicher sind die aktuellen Zahlen und Prognosen. Die Automobilproduktion stieg im vergangenen Jahr um 11,5 Prozent auf 12,98 Millionen Fahrzeuge, weltweit kletterte sie um 3,5 Prozent auf 80,27 Millionen. „Noch nie zuvor wurden so viele Autos in Deutschland produziert, noch nie zuvor wurden so viele Autos exportiert. Auch der Inlandsmarkt legt zu“, jubelt Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie. Deutschland gehört hier zu einem der federführenden Länder.
Zu den größten Absatzmärkten der Automobilbranche zählen Asien und Nordamerika. Für Westeuropa gilt eine andere Tendenz. 2015 könnten die Pkw-Verkäufe in Westeuropa weniger als 20 Prozent aller global verkauften Personenkraftwagen ausmachen. Insgesamt stehen die Zeichen der Zeit aber auf Wachstum: Für dieses Jahr prognostiziert „CAR Universität Duisburg-Essen“ eine Erhöhung der weltweiten Autoproduktion um 5,1 Prozent – wiederum ein neuer Rekord für die Branche.
Ein Segen für alle Zulieferer
Ein Segen natürlich auch für Zulieferer wie die Federnhersteller: Der Umsatz bei der Fertigung von Kfz-Teilen und -zubehör kletterte im Schlepptau der Automobilbranche im vergangenen Jahr um 12,3 Prozent auf 69, 12 Milliarden Euro. Unterm Strich beläuft sich die Federnproduktion in Deutschland jährlich auf rund 500.000 Tonnen. Die etwa 180 Unternehmen erwirtschaften einen Umsatz von gut zwei Milliarden Euro.
Automobile sind ohne Federn in unterschiedlichsten Größen nicht denkbar. Ob Polsterung oder Radfederung – diese Komponente fährt immer mit. Die Federung ist beispielsweise ein Teil des Fahrwerks. Mit ihrer Hilfe können Räder den Fahrbahnunebenheiten folgen und für eine gleichmäßige Bodenhaftung sorgen, während der Rest des Fahrzeugs sich nur unmerklich auf und ab bewegt. Und nur ein Sitz mit einer gut gefederten Polsterung ist bequem. Tausende weitere Federn fahren ebenfalls mit: Ventilfedern halten und schließen in einem Verbrennungsmotor die Einlassventile für das Kraftstoff-Luft-Gemisch und die Anlassventile für die Abgase und Verbrennungsrückstände.
Elektroindustrie elektrisiert die Federnhersteller
Außerdem elektrisiert den Federnmarkt die Entwicklung der Elektroindustrie, die laut VDFI mit 13 Prozent in Deutschland der zweitstärkste Abnehmer seiner Produkte ist. Federn sind ein wichtiger Teil von Turbinen und Isolatoren bei der Stromerzeugung.
Auch die Elektroindustrie ist auf Rekordkurs. „Die – um Preiseffekte bereinigte – Produktion der Elektrounternehmen hat ihren Vorjahresstand im Januar 2012 um zehn Prozent übertroffen“, berichtet der deutsche „Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V.“ (ZVEI). Selbst das Rekordniveau von 2008 ließ die Branche hinter sich.
Der drittgrößte Markt der Federnbranche ist der Maschinenbau. Zehn Prozent ihrer Produkte gehen in diese Anwendung. Wo Kraft an Maschinen wirkt, sind technische Federn nicht weit. Auch der Maschinenbau bestach im vergangenen Jahr mit hervorragendem Wachstum: Die Produktion kletterte um 14 Prozent. „Die Kapazitätsauslastung hat sich vom absoluten Tiefstand der letzten fünf Jahre mit 67,5 Prozent im Juli 2009 auf inzwischen 88,7 Prozent erhöht“, erklärt Dr. Thomas Lindner, Präsident des Verbandes des Deutschen Maschinen- und Anlagenbaus (VDMA). Für dieses Jahr wird mit einem weiteren Produktionswachstum von vier Prozent gerechnet.
Temperaturen und Kräften ausgesetzt
Ebenfalls keine Federgewichte sind die Abnehmer aus Medizintechnik, Lebensmittelindustrie, Schienenindustrie, Gebäudetechnik, Optik, Uhren, Spielwaren und Büromaschinen. Nachgefragt werden warm- und kaltgeformte Federn, zum Beispiel Schraubendruckfedern, Trapez- und Parabelfedern, Kegelfedern, Druck-, Zug-, Dreh- und Schenkelfedern, Teller- und Spiralfachfedern.
Belastungen aushalten, ausgleichen oder weitergeben – das sind die wichtigsten Funktionen der technischen Feder. Wenig Druck bekommt etwa die einfache Feder im Kugelschreiber. Am anderen Ende der Skala befindet sich die herstellende Industrie: Hier wirken enorme Kräfte auf diese Komponente ein. Aber es sind nicht nur die Kräfte, die sie auszuhalten hat. Auch Temperaturen können dem Feder-Werkstoff zu schaffen machen, zum Beispiel in der Stahlproduktion. Stichwort Hightech: Flachdrahtfedern leisten an Satelliten herausragende Dienste.
Federn für den menschlichen Körper
Selbst der menschliche Körper benötigt mitunter Federn. Die Dr. Werner Röhrs KG entwickelt beispielsweise eine Feder zur Knochenverlängerung. „Nachdem der Knochen hierzu erst künstlich gebrochen wird, muss anschließend der Abstand zwischen den Bruchstücken durch eine Feder auseinandergedrückt werden, um den Verlängerungsprozess des Knochens zu unterstützen“, erklärt Dr. Philipp Koepff, Geschäftsführer der Dr. Werner Röhrs KG, gegenüber der „Allgäuer Zeitung“. Neben der Größe und der Kraft der Feder sei hier natürlich auch das Material sehr wichtig, „damit es zu keiner natürlichen Abwehrreaktion des Körpers kommt.“
So zahlreich wie die Anwendungen sind, so verschieden ist auch die Beschaffenheit der Feder. Sie muss nicht nur das übliche Dämpfungsverhalten und ihre Federarbeit an den Tag legen. Korrosions- und Temperaturbeständigkeit sowie unter Umständen eine elektrische Leitfähigkeit finden sich ebenfalls häufig auf dem Wunschzettel der Kunden. Eine Standardfeder, wie bei der Dr. Werner Röhrs KG, wird bei Temperaturen bis zu 80 Grad Celsius eingesetzt. Das Sonthofener Unternehmen fertigt außerdem Ventilfedern für die Autobranche aus ölschlussvergütetem Federstahl für Temperaturen bis 120 Grad Celsius. Federn aus nichtrostenden Federstählen glänzen wiederum gegenüber Korrosion. Aus Kupfer und Kupferlegierungen hergestellte Federdrähte weisen eine gute elektrische Leitfähigkeit auf – eine wertvolle Eigenschaft für den elektrischen Bereich. Besonders resistent bei hohen Temperaturen und Korrosion sind Federn aus Nickelbasislegierungen.
Maschinenpark ermöglicht eine hochwertige Ware
Federn besitzen im besten Fall nicht nur zahlreiche günstige Eigenschaften, sondern sind auch in ihrer Form unterschiedlich. Flachdrahtfedern sind häufig gefragt in geringen Bauraumabmessungen, denn sie können durch ihren Querschnitt auf ihrer Blocklänge belastet werden: Die Folge ist eine größere Energieaufnahme. Flachdrahtfedern füllen den Raum besser aus. Anders als Federn mit runden Drahtquerschnitten.
Wer federleicht auf dem Markt gegenüber Mitbewerbern bestehen möchte, muss qualitativ hochwertige Ware bieten. Ein entsprechender Maschinenpark für deren Produktion ist unerlässlich. Als Anbieter tritt zum Beispiel die „Fortuna Federn Austria“ auf. Das Unternehmen entwickelte Federwickelmaschinen. Das Modell WIM CNC verfügt über eine automatische Servo und ein System, das das Auffangen der ersten Windung auf dem Drehfutter ermöglicht. Zum Einsatz kommt die Maschine bei der Herstellung von rechts und links gewickelten zylindrischen, konischen Zug-, Druck- und Drehfedern sowie weiteren Drahtformen. Die Maschine, so Fortuna Federn, zieht selbstständig ein, wickelt und schneidet vollautomatisch ab.
Gesamte Wertschöpfungskette zunehmend im Blickpunkt
Halbautomatische hydraulikbetriebene Ösenbiegemaschinen dienen der Produktion von Ösen an Zugfedern. Halbautomatische servogesteuerte Drahtbiegemaschinen eignen sich zum Fertigen von unterschiedlichsten Biegeteilen aus Draht. Wichtig im Herstellungsprozess sind Drahtabschneidemaschinen. Sie schneiden Federn, Federenden und Federschenkel ab. Kostspielig im Herstellungsprozess ist das Schleifen. Zunehmend etabliert hat sich daher bei der Fertigung, Federn mit einem schräg verlaufenden Schnitt vom Draht zu trennen. Die erfreuliche Konsequenz ist, dass sich der Schleifaufwand deutlich reduziert.
Aber nicht nur die einzelnen Prozessabschnitte stehen für sich genommen im Vordergrund. Ein Trend geht zur Analyse der gesamten Wertschöpfungskette. Die VDF Vogtland Federntechnik setzt daher auf eine „Lean Spring Production“. „Es sollen Prozesse betrachtet und optimiert werden“, unterstreicht Thorsten Schrotsberger, Projektmanager der VDF Vogtland Federntechnik, in der Fachzeitschrift „Quality Engineering“. Alle qualitätsrelevanten Prozesse könnten so während der Produktion kontinuierlich geplant, überwacht und die Ereignisse ausgewertet werden. „Zu den wichtigen Elementen gehört einerseits die Fließfertigung, die Ressourcenverschwendung wegen zu hoher Bestände oder Stillstände nach Kleinserien vermeidet. Andererseits greift hier auch die Null-Fehler-Strategie, bei der Fehler erkannt und vermieden werden, möglichst bevor sie entstehen“, so Schrotsberger weiter. Ermöglicht werde, dass die Produktion auch bei kurzen Herstellungszyklen und Kleinserien kontinuierlich fließe. „Dabei sollen aber auch Material und Lagerplatz optimiert werden, sodass möglichst wenig zwischengelagert werden muss.“
Prozessoptimierung und Reklamationsmanagement
Zur Prozessoptimierung gehört bei VDT Vogtland auch das integrierte Reklamationsmanagement. Hier liefere das System aktuelle Auswertungen und Kennzahlen, die dabei helfen, häufige Fehler zu erkennen und in Zukunft zu vermeiden. Kundenreklamationen könnten priorisiert werden, mit der Folge, dass „nicht nur die beanstandete Lieferung, sondern der gesamte Prozess global optimiert wird“, so Schrotsberger. Die Fehlerzahlen konnten nachhaltig minimiert werden.
Für die VDT Vogtland Federntechnik GmbH war die Einführung dieses Qualitätsmanagement-Systems gerade auch wegen ihrer Abnehmerstruktur eine lohnende Investition. Denn die Automobilhersteller, an die etwa die Hälfte aller Produkte gehen, wechseln immer schneller ihre Modelle. „Die Stückzahlen der Zulieferteile pro Autotyp werden niedriger, und die Variantenzahl der eingesetzten Federn nimmt zu“, erklärt Schrotsberger in „Quality Engineering“. Kleine Losgrößen, viele Neuanläufe und ein hoher Innovationsdruck stellten hohe Anforderungen an die Qualität von Produkten und Prozessen.
Abnehmer erwarten ressourcenschonende Prozesse
Effiziente Produktionsabläufe sind eine Erfolgsformel, eine weitere hat sich in den vergangenen Jahren etabliert. Abnehmer achten zunehmend darauf, dass der Zulieferer ein umwelt- und ressourcenschonendes Produktionsverfahren einsetzt. Hersteller, die sich hierauf einstellen, profitieren nicht nur mit Blick auf den Kunden: Denn die stark steigenden Energie- und Rohstoffpreise zwingen immer mehr zum nachhaltigen Fertigen – mal ganz davon abgesehen, dass der Schutz der Umwelt gestärkt wird.
Aus Sicht der Renzing GmbH und Vogtland Federntechnik alles gute Gründe, sich zertifizieren zu lassen. Die TÜG-NRW hat der Unternehmensgruppe das Umweltzertifikat nach der Norm ISO 14001 bestätigt. Jetzt sei es besonders wichtig, „die Mitarbeiter weiter zu schulen und vor allem, dass alle Vorgesetzten eine Vorbildrolle einnehmen“, betont Klaus Halverscheidt, der für die Geschäftsführung das Projekt eng begleitet hat. Wer also dauerhaft auf der Erfolgsspur fahren möchte, kommt an der Umwelt nicht vorbei. Wirtschaft und Ökologie sind immer weniger voneinander zu trennen. Das zeigt einmal mehr auch die Federnbranche.