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FA 01 Datenautobahnen im Visier der Geheimdienste

Unterseekabel machen die globalen Datenautobahnen möglich. Die jüngsten Spionageaffären zwingen Staaten zu einem weiteren Ausbau. Nun gibt es Überlegungen für ein europäisches Internet.

Glasfaserkabel haben den Satellitenverbindungen bei der weltweiten Kommunikation mit einem Anteil von 95 Prozent am weltweiten Datenverkehr den Rang abgelaufen. In den vergangenen 15 Jahren wurden zahlreiche leistungsstarke Netze für das Internet zwischen Kontinenten verlegt. Durch sie schnellen ungeheure Datenmengen. Die Folge: Einige Kabelhersteller jubeln über volle Auftragsbücher. Für die Spionage aber – etwa durch die NSA – ist dieser riesige Datenwust ein wahres Paradies. Um so wenig wie möglich an Informationen preis zu geben, setzen nun einige Staaten auf neue Kabelverbindungen.

Kontinuierlicher Netzausbau
Ohne Seekabel kein globales Kommunikationsnetz. Es transportiert Unmengen an Telefonaten und E-Mails, ermöglicht Kabelfernsehen und ein schnelles Internet. Um die steigende Nachfrage beherrschen zu können und neue Regionen zu erreichen, wird das Netz kontinuierlich ausgebaut.
Für Außenstehende erscheint diese Verbindung unproblematisch – in großer Tiefe verlegte Kabel gelten vielen als risikolos. Doch sicher waren sie nie. Gefahren lauerten auch schon in der Vergangenheit.

Immerhin widerstehen die Kabel meist Strömungen und hohem Druck in der Tiefsee. Aber vor allem in Küstennähe droht immer wieder Ungemach. Schleppnetze und ankernde Schiffe beschädigen Leitungen. Vor rund zwei Jahren durchschnitt zum Beispiel ein Schiff im Hafen von Mombasa in Kenia ein Unterseekabel mit seinem Anker. Folge: Ostafrika war in großen Teilen vom Internet abgeschnitten.

Netz ausspioniert
Zu Störungen des Netzes führten auch Seebeben, Strömungen und wandernde Sandbänke. Es wurde auch Ziel von Anschlägen. So planten im vergangenen Jahr Taucher, die SEA-ME-WE 4 – ein für die Internetverbindung zwischen Europa, Südostasien, Indien und den mittleren Osten wichtiges Unterseekabel – vor der ägyptischen Küste zu kappen.

Und jetzt das: Durch die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden seit dem vergangenen Jahr kam die ausufernde Spionage vor allem der Geheimdienste der USA und Großbritanniens ans Licht. Gerechtfertigt wurde sie mit den Hinweisen, den Terror bekämpfen zu wollen und vor möglichen Anschlägen warnen zu können. Doch das Ausmaß entsetzte viele Staaten.
Trotz moderner Glasfaserkabel, die im Laufe der Jahre Kupferkoaxialkabel abgelöst haben, war es den Geheimdiensten möglich, mitzuhören. Schon Anfang des Jahrtausends gab es Meldungen, nach denen US-U-Boote diese Kabel anzapften, was seinerzeit für nicht möglich gehalten wurde. Experten gehen davon aus, dass die Glasfaserkabel auch an Land abgehört werden. Vor allem Verstärker und Verbindungspunkte gelten als geeignete Ziele.

Reiche Ausbeute
Die Glasfasertechnik bietet eine reiche Ausbeute, denn sie ermöglicht einen großen Durchsatz an Kommunikationsdaten. Bei den Lichtwellenleitern werden Daten als Lichtimpulse nahezu mit Lichtgeschwindigkeit weitergegeben. Üblich sind mittlerweile Übertragungsraten von Daten, die bei 160 Gigabit pro Sekunde pro Glasfaserpaar liegen. Letztlich bleiben Glasfaserkabel damit unverzichtbar für den Datentransport. Denn die Übertragung ist schneller, und die Zahl transportierbarer Daten ist größer als bei Satelliten. Eine günstige Rechnung, auch wenn die Kosten für das Verlegen von Kabeln beträchtlich sind.

Üblich bei Leitungen sind Glasfaserkabel, die Telefonate und Daten über optische Signale transportieren. Sie sind trotz dicker Ummantelung bis zu einem gewissen Grad anfällig für das Ausspähen. Denn dort, wo sich Glasfaserkabel biegen, verlassen Daten zu geringen Teilen ihren vorbestimmten Weg. Ein kleiner Teil der optischen Informationen dringt durch die Rayleigh-Streuung nach außen. Das austretende Licht wird mittels Sensoren aufgefangen, danach verstärkt und schließlich mitgelesen.

Typische Glasfaserkabel liegen in einem Kupferrohr, das mit wasserabweisendem Verbundstoff ausgegossen ist. Ummantelt ist es mit einer Röhre aus Aluminium zum Schutz vor Salzwasser. Hierüber liegen Stahlseile, die wiederum von mehreren Schichten Kunststoff umhüllt sind. Das Kupferrohr hat gleichzeitig die Aufgabe eines elektrischen Leiters. Es ermöglicht, in bestimmten Abständen die in das Kabel eingespeisten optischen Verstärker mit Strom zu versorgen. Das Meerwasser dient als Rückleiter.

Unterwasserkabel angezapft
In die Schlagzeilen geriet im Zuge der Spionage-Affäre beispielsweise das Kabelsystem TAT-14, zu dessen Eigentümern unter anderem die Deutsche Telekom gehört. Ein großer Teil der deutschen Überseekommunikation nutzt dieses System.
Diese 15.000 Kilometer umspannende Leitung durchquert den Nordatlantik zweifach und verbindet so Europa mit den USA. Ausgelegt ist das Netz mit vier Faserpaaren auf eine Kapazität von 640 GBit/s und eine Gesamtübertragungsrate von mehr als 1 TBit/s. Der britische Geheimdienst soll sich hierzu im Zuge des Tempora-Programms Zugang zum TAT-14 verschafft haben, berichtete der „Guardian“. Der amerikanische Geheimdienst wiederum zapfte das Unterwasserkabel „Sea-MeWe 4“ an, das 18.800 Kilometer lang ist und zwischen Frankreich und Singapur verläuft. Es gilt als das größte Seekabelsystem mit beträchtlichem Potenzial: Mittels Wavelength Division Multiplexing wird hier die Kapazität erhöht und die Qualität des Signals optimiert.

Neue Verbindung – an den USA vorbei
Der Spionage zum Opfer soll auch die Verbindung zwischen der EU und Brasilien gefallen sein. Der Internetverkehr läuft bisher nahezu komplett über US-Leitungen. „Wir müssen die Privatsphäre, die Menschenrechte und die Souveränität der Nationen respektieren“, machte Dilma Rousseff, Präsidentin Brasiliens, deutlich. Ferner wolle man nicht, dass Unternehmen ausspioniert würden. Daher ist geplant, eine direkte Verbindung zwischen Europa und Brasilien per Unterseekabel herzustellen. Start für den Bau ist im Sommer 2014, 18 Monate später soll schließlich die 185 Millionen US-Dollar teure und 8.500 Kilometer lange Leitung fertig sein. Ziel ist es, amerikanische Überwachungen deutlich zu erschweren.

Mit einem neuen Seekabel will sich auch Finnland gegen Spionage wappnen. Die geplante Leitung durch die Ostsee soll das skandinavische Land mit Deutschland verbinden. Hintergrund ist, dass der Nachbar Schweden bereits seit mehreren Jahren ermöglicht, dass der ausländische Datenverkehr abgehört werden kann. Der finnische Minister Pekka Haavisto sieht eine „von Schweden betriebene Spionage“, das Nachbarland wird von manchen als Handlanger der ausländischen Geheimdienste eingeschätzt. Da aber bisher ein leistungsfähiges Internetleitung nur über den Nachbarn verläuft, sieht Finnland Handlungsbedarf. Eine neue Leitung muss her.
Planspiel „europäisches Internet“
Erst der kontinuierliche Ausbau des globalen Netzes mit noch leistungsfähigeren Internetkabeln und nun zusätzliche Leitungen, um die durch die USA kontrollierten Datenströme zu umgehen – der Kabelmarkt entwickelt sich zwangsläufig stetig weiter, auch wenn die Ursachen zum Teil bedauerlich sind. Mittlerweile wird daher in Europa gar über ein eigenes Internet nachgedacht.

Der schnellste Weg verläuft bisher über Netzwerkknoten in Amerika oder Asien, was es den Geheimdiensten bisher erleichtert, Spionage zu betreiben. Nun könnte ein Umdenken einsetzen. „Vor dem Hintergrund der Datenskandale macht es nicht nur ökonomisch Sinn, wenn wir beim Internet unsere Abhängigkeit von Amerika verringern“, erklärte etwa der österreichische EU-Kommissar Johannes Hahn der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht Handlungsbedarf. Um neue Kommunikationswege ging es bei einem Gespräch von ihr mit dem französischen Präsidenten Franςois Hollande. Die Kanzlerin besprach, „dass man nicht erst mit seinen E-Mails und anderem über den Atlantik muss, sondern auch innerhalb Europas Kommunikationsnetzwerke aufbauen kann.“ Käme ein solches Netz, könnten Daten, die in Deutschland ihren Ausgang nehmen auch auf Datenwegen innerhalb Deutschlands übertragen und abgewickelt werden.

Die Trumpfkarte
Das Produkt Kabel wird also auch weiterhin eine zentrale Rolle nicht nur für die Ausweitung des Internets spielen, sondern letztlich ein Trumpf zur Vermeidung von Spionage sein. Denn der Königsweg – die Entwicklung von nicht anzapfbaren Kabeln – scheint leider noch in weiter Ferne zu sein.

Innovationen aus diesen Bereichen werden auf der weltgrößten Fachmesse für Draht und Kabel, der wire Düsseldorf, vom 4. bis 8. April 2016 auf dem Düsseldorfer Messegelände gezeigt.

Presse Kontakt wire 2016:
Petra Hartmann-Bresgen M.A.
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