Übertragungsnetzbetreiber müssen die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien für den nächsten Tag exakt abschätzen können, um diesen bestmöglich an der Strombörse EPEX zu vermarkten.
Ein stark fluktuierendes Angebot an Sonnen- und Windenergie erschwert jedoch diese Prognosen. Fraunhofer-Forscher haben daher zusammen mit der TenneT TSO GmbH eine leistungsfähige Software entwickelt, die viele Voraussagen miteinander kombiniert und daraus eine einzigartig zuverlässige macht.
Ein stark fluktuierendes Angebot, z.B. an Sonnenenergie, erschwert die Einspeise-Prognosen. (Photo © adimas - Fotolia.com)
Strom ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Ein Knopfdruck genügt, und das Licht geht an. Tatsächlich aber steckt hinter einer sicheren Stromversorgung ein enormer Aufwand. Spezialisten müssen exakt berechnen, wann wieviel Strom benötigt wird, denn der Bedarf schwankt. Am Wochenende, wenn Büros und Geschäfte geschlossen sind, wird beispielsweise weniger Energie benötigt als am Montag. Und bei bewölktem Himmel knipst man in den Häusern früher das Licht an als an Sonnentagen. Vor allem die Übertragungsnetzbetreiber müssen rechtzeitig wissen, wann Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird, denn sie müssen ihn quer durch Deutschland transportieren und zum Teil selbst vermarkten.
Sonnen- und Windstrom schwanken stark
Übertragungsnetzbetreiber sind bestrebt, Einspeisungen aus erneuerbaren Energien für den kommenden Tag möglichst exakt vorauszuplanen. Eine Herausforderung ist dabei die verfügbare Menge an Sonnen- und Windstrom, die zwar stetig wächst, aber naturgemäß starken Schwankungen unterliegt. So kann die eingespeiste Menge an Windenergie etwa beim deutschen Übertragungsnetzbetreiber TenneT TSO innerhalb weniger Tage zwischen wenigen hundert und circa 9000 Megawatt schwanken. Bei der Photovoltaik ist dieser Leistungshub sogar innerhalb weniger Stunden möglich, was einem Leistungsunterschied zwischen einer kleinen Gasturbine und neun konventionellen Großkraftwerken entspricht. Seit geraumer Zeit gibt es Dienste, die das Wetter und die daraus resultierende Produktion von grünem Strom vorausberechnen. Um möglichst gute Vorhersagen zu erreichen, setzt man Prognosen mehrerer Anbieter ein. Diese werden für den jeweils nächsten Tag (Day-ahead) zu einer optimierten »Meta-Prognose« zusammengefasst. Hinzu kommen Vorhersagen für andere regenerative Energien wie Biomasse, Wasserkraft, Geothermie und Deponiegas. Alles zusammen ergibt die gesamte prognostizierte Menge an grünem Strom. Läßt sich diese rechtzeitig einschätzen, kann der Öko-Strom vorab an der Strombörse EPEX vermarktet werden.
Dass sich die Prognose und damit der Verkauf an der EPEX noch optimieren lassen, zeigt das Fraunhofer-Anwendungszentrum Systemtechnik AST in Ilmenau mit seiner neuen Energiemanagementlösung EMS-EDM PROPHET®. Diese erstellt eine optimierte Gesamtprognose aus einer Vielzahl an Einzelprognosen. Der gesamte Rechenprozess besteht aus rund 15 000 Einzelschritten – was einen enormen Automatisierungsgrad der Software erfordert.
Die verfügbare Menge an Windstrom wächst zwar stetig, unterliegt aber starken Schwankungen. (Photo © pat fauve - Fotolia.com)
Viertelstündliche Vorhersagen möglich
Die Software leistet sogar noch mehr. Sie kann den Strom nicht nur für einen Tag im Voraus berechnen, sondern viertelstündlich genaue Vorhersagen abgeben, indem sie die Day-ahead-Vermarktung mithilfe von Kurzfristprognosen am Spotmarkt alle 15 Minuten korrigiert. Damit kann die TenneT TSO GmbH sehr schnell auf Einspeiseänderungen reagieren. Mit der optimalen Vermarktung der EEG-Mengen an der EPEX werden außerdem die EEG-Erlöse maximiert und die Inanspruchnahme von Ausgleichsenergie minimiert. Dies wiederum hilft, die EEG-Umlage zu reduzieren, die jeder Verbraucher mit seiner Stromrechnung zu zahlen hat.
Derzeit wird dieses Programm für den Spotmarkt für Photovoltaik, Wind, Wasser und Geothermie eingesetzt. In Kürze soll die Software weitere Energieträger wie Biomasse berücksichtigen können. Die Daten aus EMS-EDM PROPHET® lasssen sich auch für Internet-Websites nutzen. Sie werden Diensten wie der Informationsplattform der Deutschen Übertragungsnetzbetreiber (EEG/KWK-G; www.eeg-kwk.net oder www.transparency.eex.com) zur Verfügung gestellt. »Eine flexible Softwarelösung ist besonders wichtig unter dem Aspekt der sich immer schneller ändernden Rahmenbedingungen«, erklärt Dr. Christian Schulz, verantwortlich für die EEG-Themen innerhalb der Netzführung der TenneT TSO GmbH. Durch den hohen Automatisierungsgrad von EMS-EDM PROPHET® kann der Nutzer rasch auf regulatorische Änderungen reagieren.
Weitere Anforderungen und mehr Komplexität durch die Liberalisierung des Energiemarktes
Die Energiemärkte in Europa erfahren aktuell durch die Liberalisierung und die forcierte Zunahme zentraler und dezentraler fluktuierender Einspeisung gewaltige Veränderungen. Um in diesem Umfeld auch in Zukunft die Herausforderungen einer ökonomischen, ökologischen, effizienten und sicheren Energieversorgung zu meistern, bedarf es einer ganzheitlichen Betrachtung der an der Energieversorgung beteiligten Prozesse.
EMS-EDM PROPHET® setzt sich aus einem leistungsstarken Zeitreihenmanagement, einem umfassenden Energiedatenmanagement mit Modulen für Netznutzungs- und Bilanzkreismanagement, einem Scheduler für die Automatisierung von Geschäftsprozessen und einem Optimierungs- und Prognosemodul für nachhaltiges Energiemanagement zusammen. Somit unterstützt diese durchgängige Applikationslösung die verschiedenen Rollen und Tätigkeiten aller Marktteilnehmer optimal – von der Energieerzeugung über den Handel bis zum Vertrieb.
Anwender und Interessenten der Softwarelösung EMS-EDM PROPHET sollten sich übrigens folgenden Termin vormerken: vom 11.-12.09.2012 findet die Anwenderkonferenz 2012 im Hotelpark Stadtbrauerei Arnstadt statt. Neben zahlreichen praxisrelevanten Vorträgen und Workshops wird es dieses Jahr zusätzlich eine separate Ausstellungsfläche geben.
Quellen: Fraunhofer Institut, EDM-Prophet.de