1. Schutz vor Asbest: Was sagt der Gesetzgeber?
Europäische Union: die REACH-Verordnung
Die Europäische Chemikalienverordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) ist seit 2007 in Kraft. Das Regelwerk dient der Sicherheit und dem Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt. REACH gilt laut Umweltbundesamt als „eines der strengsten Chemikaliengesetze der Welt“.
In der Amtsblattfassung L 396/401 vom 30.12. 2006 heißt es in Anhang XVII (1.) zur Verwendung von Asbest: „Das Inverkehrbringen und die Verwendung dieser Fasern und von Erzeugnissen, denen diese Fasern absichtlich zugesetzt werden, wird verboten.“ Unter anderem wird ergänzend unter (2.) ausgeführt: „Die Verwendung von Erzeugnissen, die Asbestfasern gem. Absatz 1 enthalten und die schon vor dem 1. Januar 2005 installiert bzw. in Betrieb waren, ist weiterhin erlaubt, bis diese Erzeugnisse beseitigt sind oder bis ihre Nutzungsdauer abgelaufen ist.“
Bereits im Sommer 2022 hatte die EU-Kommission eine Revision der REACH-Verordnung im Rahmen der Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit vorangekündigt. In diesem Zusammenhang sprach sich das Umweltbundesamt (UBA) im Rahmen der Beschränkungs- und Zulassungsverfahren in einem Scientific Opinion Paper dafür aus, „die Verfahren schneller und effizienter zu machen sowie den vorsorgeorientierten Umweltschutz zu stärken“. Das für 2024 vorliegende Arbeitsprogramm der EU-Kommission lässt derzeit darauf schließen, dass mit einer Revision von REACH nicht vor Beginn der neuen Legislaturperiode, also im Anschluss an die Europawahlen, zu rechnen ist.
Deutschland: die Gefahrstoffverordnung
Die deutsche Gefahrstoffverordnung regelt Schutzmaßnahmen für Beschäftigte bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, zu denen auch Asbeste gehört. Der aktuell geltenden Fassung der GefStoffV (Anhang II) nach gilt ein sogenanntes Überdeckungsverbot, das es untersagt, „Überdeckungs-, Überbauungs- und Aufständerungsarbeiten an Asbestzementdächern und -wandverkleidungen sowie Reinigungs- und Beschichtungsarbeiten an unbeschichteten Asbestzementdächern und -wandverkleidungen“ vorzunehmen.
Derzeit wird an einer Novelle gearbeitet, bei der nach Angaben des BMAS neben anderem „die Vorschriften zu Asbest entsprechend den Ergebnissen des nationalen Asbestdialogs angepasst“ werden sollen.
2. Instandhaltung von Asbestzement-Kanälen: Fachanwältin Minnigerode zur aktuellen Rechtslage
Die Auslegung der oben genannten Rechtsnormen (REACH- und Gefahrstoffverordnung) durch Genehmigungsbehörden war lange Zeit unklar, was in einigen Bundesländern zu einem starken Sanierungsrückstand geführt hat.
In einem Interview mit dem Rohrleitungssanierungsverband (RSV) vom 6. November letzten Jahres bezieht Fachanwältin Victoria von Minnigerode Stellung zu weit verbreiteten Rechtsauffassungen und räumt mit Falschauslegungen auf.
Mit Blick nach Bayer, wo man zwischenzeitlich irrtümlich davon ausging, dass REACH „lebensverlängernde Maßnahmen an asbesthaltigen Anlagen“ verbiete, grenzt die Fachanwältin diesen Definitionsbereich deutlich von einem weiteren ab und stellt klar: Die Norm nimmt lediglich Bezug auf ein „Ende der Nutzungsdauer“. „Die Annahme, dass lebensverlängernde Maßnahmen rechtlich unzulässig und damit pauschal abzulehnen seien, ist nach aktueller Rechtslage schlicht unzutreffend.“
Auch beim viel diskutierten Überdeckungsverbot bringt Minnigerode Licht ins Dunkel. Dieses Verbot beziehe sich ausschließlich auf Wand- und Deckenverkleidungen von Gebäuden. Bei der Instandhaltung von Rohrleitungen finde es keine Anwendung und einer Verlängerung der Lebensdauer – zum Beispiel durch Schlauchlining – stehe unter bestimmten Voraussetzungen nichts im Wege.
Was die geplante Novelle der Gefahrstoffverordnung (deren Verabschiedung nach der Sommerpause geplant ist) anbelangt, sieht Minnigerode Nachbesserungsbedarf. Dies gelte besonders für die Unterscheidung zwischen Umgang mit Asbest im Gebäudebestand zum einen und in erdverlegten Anlagen zum anderen. Auch rund um die Gültigkeit emissionsarmer Verfahren bei Rohrleitungen nach der TRGS 519 zum Arbeitnehmerschutz lasse der Entwurf mehr Interpretationsspielraum, als dass er Fragen beantworte.