Eine klimaresiliente Wasserversorgung braucht resiliente Infrastrukturen

Einblick in einen spektakulären Bauabschnitt für die Neue Riedbahn: Untertunnelung der Riedbahntrasse und Verlegung eines Mantelrohres unter den Bahngleisen. Hier wurde die Gelegenheit genutzt, dass die Bahnstrecke wegen Sanierungsarbeiten ebenfalls gesperrt war

Die Wasserwirtschaft und der Gewässerschutz stehen vor großen Herausforderungen: Der Klimawandel bringt häufigere, stärkere oder länger andauernde Extremwetterereignisse mit sich, die sich auf die Verfügbarkeit und Qualität unserer Wasserressourcen auswirken. Der unkontrollierte Eintrag von unerwünschten Stoffen in unsere Gewässer und Grundwasserleiter, insbesondere durch die Landwirtschaft oder Luftschadstoffe, erschwert und verteuert die Trinkwassergewinnung und -aufbereitung. Und nicht zuletzt übt der geografische Wandel Druck auf Wasserversorger aus, besonders in Ballungsräumen.

Aktionspläne des Bundes und der Verbände

Diesen Herausforderungen sollen die Nationale Wasserstrategie der Bundesregierung und die gemeinsame Roadmap 2030 der Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. (DWA) und des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) begegnen.

In der Nationalen Wasserstrategie sollen insgesamt 78 verschiedene Maßnahmen, gegliedert in zehn strategische Themen, bis 2030 umgesetzt werden, um bis über das Jahr 2050 hinaus den nachhaltigen Umgang mit Wasser zu sichern. Eines dieser strategischen Themen lautet „Wasserinfrastrukturen klimaangepasst weiterentwickeln – vor Extremereignissen schützen und Versorgung gewährleisten“. [1]

In der Roadmap 2030 sind die Aktionen, die nun dringend angegangen werden müssen bzw. teilweise schon begonnen haben, in sechs Handlungsfeldern beschrieben. Im Handlungsfeld 4 – Resiliente Ver- und Entsorgungsinfrastrukturen geht es sowohl um die baulichen Infrastrukturen zur Wasserversorgung und Abwasserentsorgung als auch um die digitale Infrastruktur. Für beide Infrastrukturbereiche sollen Grundsätze für die wasserwirtschaftlich Planung angepasst und entwickelt werden, diese Planung und Umsetzung deutschlandweit initiiert und zudem alle dafür erforderlichen rechtlichen und personellen Voraussetzungen geschaffen werden.

Aufbau einer Wasserleitung: Ein doppelter Strang einer Wasserleitung mit großem Durchmesser wird durch flache Felder verlegt

Wasserversorgung in Deutschland nach aktuellem Stand

Hierzulande versorgen rund 6200 Wasserversorgungsunternehmen ihre Kunden mit insgesamt rund 5,1 Mrd. Litern Trinkwasser pro Jahr. Dieses Wasser stammt zu 70 % aus Grundwasserreservoirs, zu 15 % aus Seen, Talsperren oder Flüssen. Weitere 15 % werden aus dem Uferfiltrat von Flüssen oder künstlich angereichertem Grundwasser entnommen. Der DVGW gibt die Gesamtlänge des Versorgungsnetzes in Deutschland mit 530.000 km an [1]. Seine Instandhaltung ist sehr aufwändig und mit hohen Kosten verbunden. So investieren die Wasserversorger jährlich über eine Mrd. Euro in ihre Trinkwassernetze. Die durchschnittliche Lebensdauer von Trinkwasserleitungen, betrachtet über alle Materialien, beträgt in Deutschland etwa 40 Jahre [3].

Kunststoffrohre für Trinkwasserleitungen

Versorgungssicherheit aufrechterhalten: Beispiel Rhein-Main-Region

Langandauernde Trockenwetterlagen, wie in den Jahren 2018 bis 2020, aber auch Nutzungskonkurrenzen zwischen den Trinkwasserverbrauchern, Industrie und Landwirtschaft können zu Mangelsituationen führen. Der Bevölkerungsanstieg in Ballungsräumen lässt den Wasserbedarf dort steigen, nicht selten auf Kosten des Umlandes. Wasser muss aus größeren Entfernungen herantransportiert werden.

Ein wichtiges Beispiel für eine große regionale Wasserversorgung, bei der Trinkwasser aus größerer Entfernung in die Städte gebracht wird, ist das Rhein-Main-Gebiet. Das Versorgungsgebiet von Hessenwasser erstreckt sich vom Hessischen Ried über die Metropolregion Frankfurt bis zum Taunus. Das technische Kernstück der regionalen Wasserversorgung, ist das aus 337 km Trinkwassertransportleitungen bestehende Leitungsverbundnetz. Dieses Netz verbindet insgesamt 21 Wasserwerke mit ihren Gewinnungs- und Aufbereitungssystemen, die in der gesamten Region verteilt liegen. 300 Pumpen sorgen für den notwendigen Wasserdruck, um das Wasser bis an jeden Hausanschluss zu bringen. Als Puffer und zum Mengenausgleich bei wechselndem Wasserbedarf dienen Trinkwasserbehälter mit insgesamt 338.000 m3 Speichervolumen. Etwa 40 % des Trinkwasserbedarfs der Rheinmetropole Frankfurt stammen aus dem Hessischen Ried.

Ein Ausfallen einer der größten Transportleitungen in diesem Verbund, der über 50 Jahre alten Riedleitung, ist keine Option. Deshalb befindet sich Hessenwasser schon seit geraumer Zeit in seinem größten Infrastrukturprojekt für die kommenden Jahre: dem Bau der Neuen Riedleitung. Diese gut 41 km lange neue Rohrleitung, realisiert in vier einzelnen Bauabschnitten, verbindet nach ihrer vollständigen Fertigstellung im Jahr 2030 das Wasserwerk Allmendfeld im südlichen hessischen Ried mit der Anschlussstelle Hattersheim-Eddersheim, die am Main, westlich des Frankfurter Flughafens, liegt.

Planung und Bau erfolgen dabei in vier Abschnitten. Als erste wurde der 4 km lange Abschnitt Nord fertiggestellt und schon im Jahr 2018 in Betrieb genommen, denn hier war die Dringlichkeit am größten. Denn die alte Leitung, mit der die Städte Rüsselheim und Raunheim aus einer Gruppe von Speicherbehältern mit insgesamt 40.000 m3 Fassungsvermögen versorgt werden, war in der Vergangenheit schon durch Schäden aufgefallen [4]. Die alte Riedleitung besteht aus Spannbeton, ein Material, das heute nicht mehr für Trinkwasserrohre verwendet wird. Für die neue Leitung werden Stahlrohre verwendet, die außen mit Polyethylen ummantelt und auf ihrer Innenseite mit Zementmörtel ausgekleidet sind. Die Expert:innen von Hessenwasser erwarten für dieses Material eine sehr hohe Lebensdauer, mehr als das Lebensalter, das die alte Leitung bisher erreicht hat.

Auswechseln einer Wasserleitung in einem Wohngebiet

Redundanz und Erweiterung des Verbundsystems

„Die Hauptmotivation des Projekts ist Redundanz: Wenn eine Leitung ausfällt, müssen wir auf dem anderen Bein stehen können“, sagt Silvan Großklaus, verantwortlicher Gesamtprojektleiter für den Bau der Neuen Riedleitung bei Hessenwasser. Die neue Leitung, mit deren zweitem Teilabschnitt, dem mit 18 km längsten Bauabschnitt Süd, im Sommer 2024 begonnen wurde, soll aber die alte Riedleitung nach ihrer Fertigstellung nicht etwa ersetzen, sondern parallel dazu betrieben werden. Doppelte Leitungen heißt aber nicht doppelte Wassermenge, denn die maximale Menge Wassers, die Hessenwasser in seinen Gewinnungsanlagen fördern darf, wird dadurch nicht größer, sondern ist durch die Entnahmerechte begrenzt. Aber der Betreiber erhält dadurch mehr Flexibilität, wenn innerhalb kurzer Zeiträume eine höhere Menge Trinkwasser bereitgestellt werden muss, beispielsweise in heißen und trockenen Zeiten mit erhöhtem Wasserbedarf.

Die Neue Riedleitung verläuft nur im nördlichen Teil parallel zur alten Leitung, im Süden nimmt sie einen etwas anderen Verlauf. Dieses liegt nicht nur daran, dass der Verlauf der neuen Trasse so sein sollte, dass allen Belangen von Mensch und Natur gleichermaßen Rechnung getragen wird, sondern die Neue Riedleitung ermöglicht auch eine Erweiterung des Verbundsystems. Dies geschieht durch den Anschluss eines weiteren Wasserwerks, das die Stadt Darmstadt und die umliegenden Gemeinden versorgt. Damit erhöhte sich für alle Partner die Versorgungssicherheit, denn Trinkwasserleitungen sind keine Einbahnstraßen.

Literatur:

[1] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV): Nationale Wasserstrategie, Kabinettsbeschluss vom 15. März 2023. www.bmuv.de/publikationen.

[2] Roadmap 2030 – Handlungsagenda für die Zukunft der Wasserwirtschaft. Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) und Deutsche Vereinigung für Wasser, Abwasser und Abfall e.V. (DWA), Bonn, Hennef, Dezember 2023. www.roadmap-zukunft-wasser.de/

[3] P. Maler, M. Wagner, A. Schwigon, S. Kochendörfer: Netz- und Schadesstatistik Wasser – Ergebnisse aus den Jahren 2018 – 2022 energie|wasser-praxis 6+7/2024, S. 40 – 49.

[4] Neue Riedleitung: Sicherung der Trinkwasserversorgung der Metropolregion Rhein-Main. Interview mit Silvan Großklaus, Gesamtprojektleiter bei Hessenwasser. gwf Wasser|Abwasser 9/2024, S. 20 – 23.