Clever eingebunden können additive Verfahren wichtige Beiträge leisten – etwa indem konventionell gefertigte Grundkörper additiv veredelt oder individualisiert werden. Über diese Route kann AM in höhere Stückzahlen kommen und darüber den Weg in Großserien finden. Dafür müssen wir stärker in Prozessketten denken und sinnvolle Einsatzfelder für AM-Verfahren identifizieren. Das kann ein additiver Zwischenschritt sein, der auf dem Weg zum Endprodukt fünf weitere Umform- oder Zerspanungsschritte überflüssig macht und dadurch Werkzeugkosten und Prozesszeit spart.
Ein weiteres Feld mit Potential ist die Elektromobilität. AM kann hierfür im Leichtbau und Temperaturmanagement Lösungen liefern, die mit anderen Verfahren nicht machbar sind.
Welche Themen sollten AM-Anlagenbauer aus Anwendersicht bevorzugt vorantreiben?
Merklein: Natürlich geht es um Produktivität, Zuverlässigkeit und Kapitalbindung. Daneben gibt es weitere Themen: Noch müssen die Bediener von AM-Anlagen hoch qualifiziert sein, um die Komplexität zu beherrschen. Hier wünschen wir uns einfachere, möglichst standardisierte Steuerungen, durchgängige Software sowie ein einheitliches Datenformat, in das alle nötigen Prozessdaten und Parameter integriert sind. Das liefe auf einen „Datencontainer“ hinaus, der alle Informationen zum Bauteil von der Vorkette bis zur Nachbearbeitung und Qualitätsprüfung dokumentiert. Zudem brauchen wir verlässlichere Bauteilqualitäten.
Wie stellen Sie sich die typische AM-Prozesskette im Jahr 2030 vor – und wer nutzt sie?
Merklein: Im Jahr 2030 werden wir hochintegrierte, automatisierte, dezentrale und volldigitale Prozessketten sehen, in denen es ein Miteinander von additiven und konventionellen Verfahren gibt. AM-Anlagen werden automatisiert sein, manuelles Pulverhandling oder Nachbehandlung wird es nur noch in Ausnahmefällen geben. Nur die wenigsten Unternehmen werden alle AM-Verfahren nutzen – vielmehr wird dezentral, in Kundennähe mit verschiedenen Schwerpunkten produziert. Die Digitalisierung wird es ermöglichen, im Abgleich von Modell- und Prüfdaten der realen Bauteile Abweichungen zu erkennen und AM-Prozesse im „closed loop“ nachzusteuern. Wer wird das Ganze nutzen? Durch Industrie 4.0 wird künftig vom Handwerker über kleine und mittlere Betriebe bis zum global agierenden Konzern jeder AM einsetzen – sei es mit eigenen Anlagen oder durch den Zukauf von Leistungen. Wir bei Schaeffler werden von der Konstruktion bis zur Auslieferung die gesamte Prozesskette abdecken.
Sie wurden jüngst in den Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Additive Manufacturing im VDMA gewählt. Gibt es konkrete Themen oder Ziele, die Sie vorantreiben möchten?
Merklein: Ich möchte dazu beitragen, dass die skizzierte Vision real wird. Die Integration in Prozessketten, ein höherer Automatisierungsgrad und konsequente Digitalisierung sind die Voraussetzung, um AM in Richtung Großserie zu entwickeln. In dem jungen Technologiefeld müssen alle Akteure an einem Strang ziehen und gemeinsam an Standardisierungen arbeiten. Das wird uns gelingen – und allen die Arbeit erleichtern.