gwf: Haben Sie die noch zu bauenden, wasserstofffähigen Gas-Kraftwerke bei der Planung berücksichtigt?
Fischer: Die Kriterien wurden, wie gesagt, vom BMWK in Absprache mit der Bundesnetzagentur (BNetzA) vorgegeben. Es gibt ein Kriterium für KWK-Anlagen, die auf H2 umgestellt werden sollen, aber es gibt kein Kriterium für Wasserstoffkraftwerke ohne Wärmeauskopplung. Der Grund: Die Kraftwerksstrategie war zum Zeitpunkt der Entwicklung der Kriterien noch nicht verabschiedet, und niemand weiß heute gesichert, wo diese Kraftwerke liegen werden. Aufgrund der Netztopologie des Planungsstandes ist die Wahrscheinlichkeit aber hoch, dass H2-ready Kraftwerke an das Kernnetz angeschlossen werden können. Die konkrete Planung für die damit verbundene Netzdimensionierung und
deren Anschluss wäre Aufgabe der so genannten zweiten Stufe, der sich direkt an die Kernnetz-Planung anschließenden regulären Netzentwicklungsplanung Gas und Wasserstoff.
gwf: Wird das deutsche Wasserstoff-Kernnetz eigentlich mit den europäischen FNB abgestimmt?
Fischer: Ja. Wir haben mit europäischen Partnern zahlreiche Gespräche geführt und auch die zwischenstaatlichen Vereinbarungen, die die Bundesregierung mit zahlreichen Nachbarländern geschlossen hat, berücksichtigt und so Importpunkte ermittelt. Viele europäische Länder wollen ihre Wasserstoffwirtschaft hochfahren; entsprechende Wasserstoffstrategien finden Sie inzwischen fast überall. Ob es einen europäischen Wasserstoffnetz-Entwicklungsplan analog zum TYNDP Gas (ten years network development plan) geben wird, wird derzeit noch in Brüssel im Rahmen des EU-Gasmarktpaketes besprochen. Auch hier ist die zu entscheidende Frage, ob es einen separaten Wasserstoffnetzentwicklungsplan oder eine integrierte Gasnetzplanung (Erdgas und Wasserstoff) im Rahmen des europäischen Gasverbandes (ENTSOG) geben soll. Wir erwarten bis Anfang 2024 eine Einigung.
gwf: Behindert das Warten auf europäische Entscheidungen den nationalen Wasserstoffhochlauf?
Fischer: Nein. Auf die nationale Kernnetz-Planung hat diese Entscheidung keine unmittelbare Auswirkung. Es wird voraussichtlich wie heute im Gasbereich weiter nationale Netzplanungen geben, die dann auf europäischer Ebene verzahnt werden. Die Regelungen zum Kernnetz im Rahmen der EnWG-Novelle widersprechen nicht dem aktuellen Verhandlungsstand in Brüssel. Insofern konnte der deutsche Gesetzgeber diese ersten Schritte einleiten. Für die FNB war und ist es wichtig, dass die Vorschläge zum „ownership unbundling“, also die eigentumsrechtliche Entflechtung zwischen Wasserstoffnetzbetreibern und FNB, wie sie ursprünglich von der EU-Kommission vorgeschlagen wurden, vom Tisch sind und weder vom Europäischen Parlament noch vom Rat befürwortet werden. Das ist die Voraussetzung dafür, dass die heutigen FNB in Zukunft auch Wasserstoffnetze bauen und betreiben dürfen.
gwf: Was fehlt denn noch?
Fischer: Erstens: Die EnWG-Novelle geht nach der Sommerpause ins parlamentarische Verfahren. Wenn der Aufbau der Infrastruktur noch in diesem Jahr beginnen soll, brauchen wir unbedingt eine Verabschiedung der Novelle im Herbst. Erst danach können die FNB den gemeinsamen Antrag für das Wasserstoff-Kernnetz zur Prüfung bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) vorlegen. Und auch die BNetzA braucht noch etwas Zeit, um das finale Kernnetz zu prüfen und zu bestätigen. Zweitens muss die Finanzierungsfrage für das Kernnetz geklärt und ein kapitalmarkfähiges Finanzierungmodell verabschiedet werden, da sonst die Netzbetreiber keine Investitionsentscheidungen treffen können. Drittens muss eine rollierende integrierte Netzplanung für Erdgas und Wasserstoff schnellstmöglich gesetzlich verankert werden. Das BMWK hat hier bis Ende des Jahres eine Entscheidung angekündigt. Ohne gesetzlich verankerte integrierte Netzplanung kommen wir nicht in die weiteren Ausbaustufen des Kernnetzes.
gwf: Sollte für eine ganzheitliche Energiewende nicht auch die Stromnetzplanung integriert werden?
Fischer: Es ist richtig, dass die zukünftige Netzplanung für Erdgas, Wasserstoff und auch Strom ganzheitlich betrachtet werden sollte. Das heißt aber nicht, dass man die heute getrennte Planung in einem einzigen Prozess bzw. gemeinsamen Netzentwicklungsplan Gas und Strom zusammenführen muss. Das wäre aufgrund der enormen Komplexität nicht darstellbar. Eine Lösung hierfür wäre ein der Strom- und Gasnetzplanung vorgelagerter Energieszenarien-Prozess. Solche Diskussionen haben bereits im Rahmen der dena-Netzstudie III im vergangenen Jahr stattgefunden und werden aktuell in dem vom BMKW initiierten Prozess für eine Systementwicklungsstrategie fortgeführt. Wir unterstützen diesen Ansatz ausdrücklich.
gwf: Bis zum 28. Juli konnten sich Netzbetreiber bei Ihnen melden, um Stellung zum Kernnetz zu nehmen und weitere Leitungen zur Berücksichtigung im Kernnetz einzureichen. Wie war die Resonanz?
Fischer: Es haben sich etliche Netzbetreiber gemeldet, darunter viele Verteilernetzbetreiber, aber auch sonstige Rohrleitungsnetzbetreiber, die ihre Infrastruktur in das Kernnetz einbringen wollen. Diese Leitungsmeldungen werden wir jetzt prüfen und sofern sie der definierten Transportaufgabe dienen und die technischen Kriterien erfüllen, in die weitere Modellierung und Optimierung des Kernnetzes einbeziehen. Die Konzeption des Wasserstoff-Kernnetzes ist ein echter Meilenstein. Für die Auswertung der Rückmeldungen bleibt uns nicht viel Zeit, da die nächsten Iterationsstufen der Netzplanung bevorstehen.
gwf: Dann wollen wir Sie nicht aufhalten. Frau Fischer, vielen Dank für das Gespräch.