Interview mit Dr.-Ing. Kai Fischer, Wissenschaftlicher Direktor am Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) der RWTH Aachen
Dr. Fischer koordiniert am IKV den Bereich Wasserstofftechnologien. 2021 führten er und sein Team eine zwölfmonatige Konsortialstudie durch, die eine mögliche Kooperation zwischen Kunststoffindustrie und Wasserstoffwirtschaft ermitteln sollte. Aus dem dabei geknüpften Netzwerk wurde 2022 das Hydrogen Business und Technology Forum. Heute stehen hier über 20 namhafte Produzenten und Anwender von Wasserstofftechnologien im engen Dialog mit der Kunststoffindustrie. Wieso der Austausch zwischen den Branchen für den Wasserstoffhochlauf essenziell ist, verrät Dr. Fischer im Interview.
gwf: Herr Dr. Fischer sind Kunststoffe wichtig für Wasserstofftechnologien?
Dr. Fischer: Zwei Punkte: Massenproduktion und Anpassungsfähigkeit. Kunststoffe sind prädestinierte Werkstoffe, um technische Anwendungen kostengünstig zu skalieren. Anders gesagt: Wo hohe Stückzahlen und hohe Effizienz gefordert sind, kommt man an Kunststoff nicht vorbei. Das ist in allen technischen Branchen so, etwa in der Automobilindustrie. Zudem lassen sich Kunststoffprodukte sehr gut an verschiedene Anwendungsanforderungen anpassen. Daher sagen wir: Wenn auch die Wasserstoffwirtschaft eines Tages hohe Stückzahlen erfordert, kommt man an Kunststoff nicht vorbei.
gwf: Ist der Austausch zwischen Wasserstoff- und Kunststoffindustrie bislang zu kurz gekommen?
Dr. Fischer: Wir denken schon. Es beginnt bei der Produktion: Der grüne Wasserstoff, der aufgrund seiner positiven Klimabilanz so begehrt ist, entsteht in der Elektrolyse. Heute erfolgen aber nur 4 % der gesamten Wasserstoffproduktion über Elektrolyseure. Ein Grund ist, dass diese viele teure Edelstahlkomponenten enthalten – Rohre, Behälter usw. Dabei wären sie mit Kunststoffkomponenten, insbesondere bei dem notwendigen Upscaling zur Bereitstellung von grünem Wasserstoff, deutlich günstiger. Übrigens gibt es für alle gängigen Kunststoffe – PP, PE, PA und so weiter – Formulierungen, die die Anforderungen von Wasserstoff abdecken.
gwf: Sie sprechen es an: Es gibt nicht „den“ Kunststoff, sondern eine ganze Palette unterschiedlicher Werkstoffe. Und wenn man statt Metall Kunststoff einsetzt, muss man diese kennen und kombinieren können.
Dr. Fischer: Genau! Und das tut die Kunststoffindustrie, allerdings muss sie nun auch die einzelnen Elemente in den Systemen der Wasserstoffwirtschaft verstehen. Das ist unsere Mission: Die Anforderungen der Hersteller von Wasserstoffsystemen bei der Kunststoffindustrie bekannt zu machen, damit diese kunststoffgerechte Lösungen vorschlagen kann, um die Systeme performanter, haltbarer und günstiger zu machen. Verstehen Sie mich nicht falsch – wir wollen und können nicht den gesamten Stahl ersetzen. Aber wir denken, dass Wasserstoffsysteme in Zukunft genauso wesentliche Anteile an Kunststoffkomponenten haben wie andere technische Anwendungen mit hohem Kostendruck.
gwf: Der Haupttreiber für den Ersatz von Metall durch Kunststoff ist also die Kostenreduktion?
Dr. Fischer: Definitiv. Es geht immer um die Kosten, effizient sind die Systeme bereits. Viele enthalten auch schon Kunststoff-Kernkomponenten, etwa die PEM-Membran. Aber in der Peripherie wird noch viel Metall genutzt. Hier kann Kunststoff viele Metallkomponenten ersetzen – und zwar in sehr großen Stückzahlen. Anfang November haben wir ein Projekt gestartet, in dem es darum geht, günstigere Medienleitungssysteme für Elektrolyseure und Brennstoffzellen aus Kunststoff herzustellen. Dabei kooperieren wir mit den Herstellern dieser Anlagen, eben um deren Anforderungen genau zu verstehen. In den Anlagen kommen unterschiedliche Medien wie etwa deionisiertes Wasser mit den technischen Teilen in Kontakt. Wichtig ist, dass die Kunststoffe nicht durch diese Medien geschädigt werden, andererseits aber die Kunststoffe auch keine Kontaminationen übertragen, die die Funktionalität beeinträchtigen würden.