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Thema des Monats Mai 2012

 

Erneuerbare Energien und ein besonderer Stromspeicher

Wind- und Sonnenkraft sollen schon bald einen Großteil der Stromversorgung liefern. Das Problem dabei: Ihre Energieerzeugung ist großen Schwankungen unterworfen. Mal bläst der Wind kräftig über Wasser und Land, an anderen Tagen stehen viele Räder still. Zuweilen scheint die Sonne tagelang, dann wird sie von Wolken verdeckt. Überschüssiger Öko-Strom aus energiereichen Tagen wird zukünftig also vermehrt gespeichert werden müssen, um zu anderen Zeiten zur Verfügung zu stehen. Eine mögliche Lösung bietet dabei das Erdgasnetz.

Photo: RWE

Das neue Konzept, das derzeit technisch und wirtschaftlich analysiert wird, heißt „Power to Gas”: Mit dem nicht verbrauchten Strom wird durch Elektrolyse zunächst Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff gespalten, der Wasserstoff wird über einen weiteren Schritt in synthetisches Methan, also quasi Erdgas umgewandelt. Das Produkt kann dann in der ganzen Erdgaswelt mit seiner Infrastruktur aus Netzen, Speichern, Heizgeräten und Kraftwerken verwendet werden. Bei Bedarf wird das regenerativ erzeugte Gas wieder verstromt oder direkt zur Wärmeversorgung oder als Kraftstoff genutzt.

Prinzipiell könnte das Biogas dafür vor Ort gespeichert werden – doch müssten dazu neue große Gasspeicherkapazitäten in der Nähe der Generatoren errichtet werden, da die vorhandenen Gasspeicher verhältnismäßig klein sind. Besser sei es, das Erdgasnetz zu verwenden, das sich wegen seiner gewaltigen Speicherkapazität auf einer Länge von 400.000 Kilometern in besonderem Maße als Langzeitspeicher von Bioenergie eigne, sagt Professor Jürgen Schmid, der Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES). Allein durch Druckänderungen im Erdgasnetz könnten laut des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfachs (DVGW) noch große Mengen gespeichert werden.



Photo: Ökobit

Derzeit wird eine Technik für Biogasanlagen entwickelt, die zum einen Bioenergie aus der Vergärung von Abfällen, Gülle oder Energiepflanzen abgibt, zum anderen aber auch Energie aus dem Netz aufnehmen kann. „Damit kann ein wirkungsvolles Energiemanagement zur Entlastung der elektrischen Netze realisiert werden”, meint Schmid, dessen Institut mit dem Zentrum für Sonnenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) daran arbeitet. Das neue Verfahren soll nicht nur in wenigen neuen Großanlagen, sondern auch in konventionellen Biogasanlagen eingesetzt werden.

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) weist darauf hin, dass damit eine sichere und nachhaltige Energieversorgung unterstützt wird. Die Überschüsse aus der Windenergieproduktion gingen sonst, wenn sie nicht genutzt würden, durch Abregelung verloren, sagt VKU-Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck. Denn bei Sturm oder im Hochsommer produzieren die Anlagen zu viel grünen Strom, das überforderte Netz kann den grünen Strom nicht optimal verteilen. Viele Windturbinen, gerade im Norden, müssen deshalb stehen bleiben. 150 Gigawattstunden sind so im Jahr 2010 verloren gegangen, schätzt der Bundesverband Windenergie.

Auch die Politik hat das Thema erkannt: Hessen und Thüringen haben insgesamt 600.000 Euro in die Forschung und den Aufbau der Pilotanlage von IWES und ZSW investiert, mit deren Hilfe erneuerbares Methan gespeichert wird. Die 25kW-Forschungsanlage in Bad Hersfeld soll unter praxisnahen Bedingungen die Zuverlässigkeit, die Art des Betriebs, die Effizienz und die Verwertbarkeit des Methans zeigen. Die Mechanisierungstechnik war laut Thüringens Umweltminister Jürgen Reinholz schon länger bekannt – doch bisher gab es nicht genug Strom, um sie im großen Stil umzusetzen.

Für die überschüssige Energie aus erneuerbaren Energien gibt es durchaus noch andere Speicherungsmöglichkeiten. Für kurzfristigen Ausgleich werden seit vielen Jahrzehnten Pumpspeicherkraftwerke eingesetzt – ihr Wirkungsgrad liegt bei guten 80 Prozent. Doch ist ihr Ausbau in Deutschland wegen der geografischen Gegebenheiten begrenzt und ihre Kapazität zu gering für lange Flauten. Experten haben laut dem Energieversorger RWE ausgerechnet, dass die derzeitigen rund drei Dutzend Pumpspeicherwerke nur ausreichen, eine Durststrecke von wenigen Stunden zu überstehen. Eine mehrtägige Windstille mit dichter Wolkendecke könnte Deutschland ohne Stromimporte nur überstehen, wenn das Volumen des Bodensees für die Stromproduktion genutzt würde.

„Für den Ausgleich längerfristiger Schwankungen im Bereich von Tagen oder Wochen lassen sich nur chemische Speicher auf der Basis von Wasserstoff, Methan oder anderen Gasen bzw. Flüssigkeiten verwenden”, sagte Schmid vom Fraunhofer IWES zu seinen Simulationsrechnungen. Auch aus Wasserstoff – ohne den Umweg über das Methan – kann mit Hilfe von Brennstoffzellen erneut Strom hergestellt werden. Doch dafür gibt es noch viel zu wenig Infrastruktur.

Viele Experten sehen in „Power to Gas” das größte Potenzial. Einziger Wermutstropfen: Bei den Umwandlungsprozessen geht meist sehr viel Wärme verloren, sodass der Wirkungsgrad bei der späteren Rückverstromung nur bei 36 bis 38 Prozent liegt, rechnet das Fraunhofer IWES vor. Doch würde bei diesen Prozessen die anfallende Wärme genutzt, ergäben sich wie bei den Pumpspeicherkraftwerken Nutzungsenergiegrade von 80 Prozent.

Mit „Power to Gas” stehe bald eine weitere Komponente des intelligenten Netzes, der Smart Grids, zur Verfügung, sagt Thomas Bareiß, Koordinator für Energiepolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Und das sei auch dringend notwendig: Die Stromspeicherkapazitäten von derzeit 0,4 TW/h müssten bis 2030 im zweistelligen TW/h-Bereich liegen. „Speichertechnologien sind ein entscheidender Baustein zum Gelingen der Energiewende”, ist sich Bareiß sicher.

Quellen: Strategieplattform Power to Gas,
Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW),
Ökobit GmbH