Wie am 8. April bekanntgegeben wurde, sind laut einer Untersuchung künftige Netznutzungskosten für Wasserstoff erheblich geringer als jene Gebühren für das Stromnetz, die Nutzerinnen und Nutzer an die Betreiber solcher Infrastrukturen zahlen müssten. Die Untersuchung wurde im Auftrag des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) unter Beteiligung von Mitgliedsunternehmen aus der Gasverteilnetzwirtschaft durchgeführt.
Analysegrundlage war ein modellbasiertes Szenario, in dem H2- und Stromnetze für voneinander unabhängig betrachtet wurden. Berechnet wurden der Netzausbaubedarf bis 2045 in Deutschland und pro Bundesland für Strom und Wasserstoff sowie die daraus resultierenden Transformationskosten.
Bei der Berechnung der Netznutzungskosten für Wasserstoff wurden wurde angenommen, dass rund zwei Drittel (9,2 Mio.) der aktuellen Hausanschlüsse (13,7 Mio.) für Haushalte und den Gewerbe-Handel-Dienstleistungssektor weiter existieren werden. Die Netznutzungskosten für Strom wurden gemäß Netzentwicklungsplan 2023 berechnet, in dem die derzeitigen Hausanschlüsse fast vollständig elektrifiziert oder mit Wärmenetzen versorgt werden.
Prof. Dr. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des DVGW, zieht ein erstes Fazit: „Der Blick auf sogenannte Vorzugsregionen, die entweder Gas- oder Stromnetzausbau erfahren, lässt eine Indikation zu, wonach die Kosten für die Nutzung von Wasserstoff im Wettbewerb zu Aufwendungen für ein rein mit Strom betriebenes Versorgungsnetz deutlich geringer wären.“
Investitionen ins H2-Netz von insgesamt 24 Mrd. Euro
Auf Grundlage des Antragsentwurfs zum H₂-Kernnetz der Fernnetzbetreiber (FNBs) vom 15. November letzten Jahres wären für den Aufbau des H₂-Kernnetz bis zum Jahr 2032 Investitionen von rund 19,8 Mrd. Euro nötig.
Die Umrüstung der existierenden Gasverteilnetze auf Wasserstoffbetrieb würde zusätzlich 4 Mrd. Euro, die Instandhaltung des bestehenden Erdgasverteilnetzes im künftigen H2-Betrieb weitere 43 Mrd. Euro bis 2045 kosten.
In einem „DVGW-Szenario 2045“ würden Transformationskosten für H2 folgendermaßen aussehen: Unter Berücksichtigung der Kapital- und Betriebskosten für Kern- und Verteilnetz sowie der Kapitalkosten für die Restwerte umgewidmeter Assets im Kern- und Verteilnetz ergeben sich pro Jahr Vollkosten für das H2-Netz von etwa 6 bis 9 Mrd. Euro (abhängig von Zinsen an den Kapitalmärkten).
Die angenommene Infrastruktur, könnte Verbaucher:innen wie Privathauhalte, Gewerbe- und Industriekunden für 1,8 Cent/kWh mit Wasserstoff versorgen.
Investitionen ins Stromnetz von rund 730 Mrd. Euro
„Die Elektrifizierung wird eine der maßgeblichen Säulen im Energiesystem sein. Neben dem Übertragungsnetz kommt den Verteilnetzen eine Schlüsselrolle zu. Für die Umsetzung der Klimaneutralität zum Jahr 2045 ist dabei nicht nur der Bereich Wärme, sondern sind auch die Bereiche Mobilität und insbesondere dezentrale Erzeugung zwingend zusammenzudenken“, so Dr.-Ing. Marco Greve, Geschäftsführer der ef.Ruhr GmbH zu den Transformationskosten von Strom, für deren Berechnung das Unternehmen verantwortlich zeichnete.
Zur Einschätzung des Netzausbaubedarfs im Verteilnetz wurde die künftige Zubauleistung auf das Betrachtungsgebiet verteilt und die notwendige Netzinfrastruktur bestimmt. Daraus ergibt sich eine Anzahl an zusätzlichen Leitungskilometern und Transformatoren, welche entsprechend bepreist eine indikative Abschätzung der Netzausbaukosten ermöglicht.
Auf diese Weise wurde ein Netzausbaubedarf über alle deutschen Netze und Bundesländer hinweg von etwa 730 Mrd. Euro ermittelt. In den Kosten enthalten sind die für das Übertragungsnetz innerhalb des Netzentwicklungsplans veröffentlichten Netzausbaukosten in Höhe von 301 Mrd. Euro. Allein im Verteilnetz würde dies einen jährlichen Investitionsbedarf von 20 Mrd. Euro bedeuten. Dies entspräche einer Vervierfachung der Ausgaben des Jahres 2022.
Laut des vom Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI) errechneten Szenarios lässt der höhere Investitionsbedarf im Jahr 2045 die Netzgebühren Verbraucher-übergreifend ansteigen. Für Industriekunden würden die Netzentgelte beispielweise um 7,0 Cent/kWh, für Gewerbekunden um 15,2 Cent/kWh und für Haushaltskunden um 18,0 Cent/kWh ansteigen.
„Gasverteilnetze sind der größte Hebel für die Energiewende“
„Wasserstoff und grüne Gase sind somit nicht nur aus dem Blickwinkel des Klimaschutzes, sondern auch aus rein wirtschaftlichen Überlegungen mehr als nur eine Option für Industrie, Gewerbe und private Haushalte. Der Tipping Point sind schlussendlich die Netzkosten für Wasserstoff und nicht die reinen H₂-Produktionskosten. Die Analyse zeigt, dass die Versorgung mit grünen Gasen unterm Strich enorm günstiger ist als die Versorgung mit Strom“, fasst DVGW-Chef Linke zusammen. An maximaler Tarifoffenheit führe bei einer für Verbraucher bezahlbaren Energiewende nach Meinung des DVGW kein Weg vorbei.
„Jede Forderung, die sich mit dem Rückbau der Wasserstoff-kompatiblen und bilanziell bereits mehrfach abgeschriebenen Gasinfrastruktur befasst, ist fahrlässig, gefährdet Investitionsanreize und schadet dem Standort Deutschland insgesamt. Gasverteilnetze sind der größte Hebel für die Energiewende“, so das Fazit des DVGW-Chefs.
Weiterführender Link: www.dvgw.de/nutzungskosten
(Quelle: DVGW)