Eine aktuelle H₂News-Umfrage zeigt, dass Afrika und der Nahe Osten als derzeit aussichtsreichste Erdteile für den Import von grünem Wasserstoff gelten. Doch ein Problem bleibt: Der Transport. Nun haben der italienische Zertifizierer Rina und das schwedische Ingenieurbüro Afry eine Studie vorgelegt, die das Potenzial einer direkten Wasserstoffleitung zwischen der Golfregion und Europa untersucht. Ihr Ergebnis: Der Bau der Pipeline wäre nicht nur machbar, sondern auch wirtschaftlich attraktiv.
Die Länder am Persischen Golf verfügen nicht nur über große Erdgas-Reserven. Auch erneuerbare Energie gibt es in den sonneverwöhnten Staaten wie Sand am Meer. Daher ist es kein Zufall, das viele von ihnen planen, blauen und grünen Wasserstoff sowie seine Derivate – allen voran Ammoniak – in großem Stil zu exportieren.
Eine Wasserstoffpipeline, die über Katar, Saudi-Arabien und Ägypten das Mittelmeer nach Europa durchquert, wäre die mit Abstand günstigste Methode, die grünen Energieträger in den Norden zu bringen. Auch die geplante Giga-Anlage in der neuen saudi-arabischen Stadt Neom ließe sich damit abdecken. Wie die in der letzten Woche veröffentlichte Analyse von Afry und Rina zeigt, könnte die Leitung mit einer geeigneten Pipelinekonfiguration jährlich 100 TWh oder rund 2,5 Mio. t Wasserstoff transportieren. Die Transportkapazität ließe sich durch den Bau weiterer Pipelines noch erheblich steigern.
Die Transportkosten schätzen die Unternehmen auf zunächst ca. 1,20 €/kg. Die Golfstaaten könnten so ab den 2030er Jahre Wasserstoff zu LCODH-Kosten (Levelised Costs Of Delivered Hydrogen) von etwa 2,70 €/kg liefern. Langfristig ließe sich der Preis auf rund 2,30 €/kg senken, so die Studie.
Grüner Wasserstoff für 2,30 €/kg
Die geopolitischen Herausforderungen der letzten anderthalb Jahre haben Europa gezwungen, seine Energiesicherheit auf eine neue Art zu sichern. In diesem Kontext wurde bereits eine Verbindung zwischen dem östlichen Mittelmeerraum und Europa durch Pipelines (EastMed und andere) untersucht.
Gleichzeitig konzentriert sich die Diskussion um den Export von Wasserstoff vor allem auf den Transport via Schiff. In diesem Feld werden einige Vorhaben von der EU subventioniert, was wiederum die Aktivitäten in der Gas-/Wasserstoffindustrie antreibt. Indes halten die Autor:innen der Studie die Schiffs-Option für den Transport von Massengütern an einigen Stellen für ineffizient.
Ein wettbewerbsfähiges Pipelineprojekt mit der Golfregion stelle hier eine sinnvolle Ergänzung dar.
Integriertes Energiesystem zwischen Europa und MENA-Region
Andrea Bombardi, Executive Vice President bei Rina, erläutert die Studie wie folgt:
„Durch die kombinierte Expertise von Afry und Rina werden in dieser ersten Studie mögliche Trassen, technische Parameter sowie die Machbarkeit insbesondere desTiefsee-Pipeline-Abschnitts, geostrategische Rahmenbedingungen und wirtschaftliche Schätzungen auf höchster Ebene für eine direkte Wasserstoff-Pipeline-Verbindung zwischen dem Golf und Europa untersucht. Sie wäre ein Element für ein integriertes grünes Energie- und Industriesystems zwischen Europa und MENA.
Die Ergebnisse der Studie seien ein „entscheidender Beitrag zur Förderung der Wasserstoffwirtschaft”. Gemeinsam habe man einen potenziellen stabilen Korridor identifiziert, der Wasserstoffangebot und -nachfrage zusammenbringen könne.
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