Am Fraunhofer-Institutsteil in Dresden forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bereits seit über 15 Jahren an der Weiterentwicklung der additiven Fertigungstechnologie LPBF (Laser Powder Bed Fusion). Dieses Verfahren verwendet einen fokussierten Laserstrahl, der metallisches Pulver gezielt an den Stellen aufschmilzt, an denen das Bauteil Schicht für Schicht aufgebaut werden soll. Um aus dem Pulver ein funktionales Bauteil entstehen zu lassen, ist die Kontrolle über die gesamte physische und digitale Prozesskette entscheidend. Eine Schlüsselrolle spielen dabei optimierte Scanstrategien: Sie definieren die Abfolge, Länge, Ausrichtung und den Abstand der Laserbahnen und ermöglichen damit eine präzisere, maßhaltige, filigranere und homogenere Herstellung von Bauteilen mit verbesserter Oberflächenqualität.
Bei gitterähnlichen, filigranen Strukturen, wie sie in der Medizintechnik oft benötigt werden, ist eine spezielle Scanstrategie erforderlich. Statt der herkömmlichen Kontur-Hatch-Scanstrategie, bei der der Laser zunächst die Außenkontur abfährt und anschließend die Fläche füllt, kommt hier die Quasi-Punkt-Scanstrategie zum Einsatz. Dabei bewegt sich der Laser nur entlang sehr kurzer, teilweise gekreuzter Scanbahnen. Diese Vorgehensweise führt besonders bei filigranen Bauteilen zu präziseren Ergebnissen: Der Energieeintrag bleibt gleichmäßig verteilt, was unerwünschte Anhaftungen verhindert und die Produktivität steigert, da der Laser kürzere Strecken zurücklegen muss. Auf diese Weise können beispielsweise Implantate mit filigranen Gitterstrukturen, wie Stents, hergestellt werden, die in der Medizin zur Offenhaltung verengter Blutgefäße eingesetzt werden. Für eine besonders schonende Anwendung bieten sich superelastische Formgedächtnislegierungen wie Nickel-Titan (NiTi) an, die die Belastbarkeit der Struktur erhöhen.
Über die Medizintechnik hinaus zeigt sich das Potenzial der additiven Verarbeitung von NiTi in anderen Anwendungsbereichen. So wurde in einem Fraunhofer-internen Projekt ein Spann- und Halteelement entwickelt, das speziell für sprödbrechende Werkstoffe wie Keramik konzipiert wurde. Dieses Bauteil zeichnet sich durch lokal superelastische Eigenschaften aus, die eine gleichmäßigere Verteilung der Spannungen ermöglichen und kritische Belastungen vermeiden.
Geometrie-angepasste Scanstrategien für offenporige Strukturen
Für die Herstellung feiner, zellularer Strukturen, wie sie etwa bei Knochenimplantaten benötigt werden, wird eine geometrieangepasste Scanstrategie verwendet. Ein Beispiel dafür ist das am Fraunhofer IWU entwickelte Schulterkurzschaft-Implantat, bei dem verschiedene Bereiche des Bauteils (etwa Brücken, zellulare und vollsolide Zonen) durch eine automatisierte Geometrieerkennung identifiziert werden. Diese Bereiche erhalten spezifische Scanstrategien und Laserparameter, die auf die jeweiligen topographischen Anforderungen abgestimmt sind. Im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren, bei denen lediglich eine einheitliche Scanstrategie für das gesamte Bauteil genutzt wird, lassen sich so Maßhaltigkeit und Verzug deutlich verbessern. Für eine präzise Herstellung zellularer Strukturen ist es besonders wichtig, alle Geometrie- und Prozessparameter gesamthaft zu optimieren.
Voronoi-basierte Scanstrategien für anspruchsvolle Überhangbereiche
Das LPBF-Verfahren bietet hohe Freiheiten bei der Gestaltung komplexer Geometrien, stellt jedoch besondere Anforderungen an die Fertigung von Überhangflächen. Diese Bereiche, die bei einem Schichtaufbau über die darunterliegenden Schichten hinaus ragen, neigen zu Defekten, Verzug und Oberflächenrauhigkeiten und erfordern in herkömmlichen Verfahren oft aufwendige Stützstrukturen. In Zusammenarbeit mit der TU Dresden (Professur für VPE) wird am Fraunhofer IWU eine Lösung entwickelt, um eine gleichbleibende Fertigungsqualität in Überhangbereichen sicherzustellen, die zudem ohne Modifikationen an der Fertigungsanlage und mit weniger Stützstrukturen auskommt.
Der innovative Ansatz beruht auf einer Kombination aus automatisierter Geometrieanalyse, thermischer Simulation des Fertigungsprozesses und einer sogenannten Voronoi-basierten Scanstrategie. Die Geometrieanalyse identifiziert dabei kritische Bereiche, in denen spezifische Anpassungen der Fertigungsparameter erforderlich sind, etwa durch das Verändern des Scanpfadmusters, der Größe der Teilbelichtungsflächen oder der Scanvektor-Ausrichtung. Voronoi-Diagramme werden verwendet, um die Scanebene in Zellen zu unterteilen, die sich kontinuierlich an die Form des Bauteilquerschnitts anpassen können, wodurch die Größe der Zellen über die Distanz der Ausgangspunkte (Saatpunkte) variabel bleibt.
Um Fertigungsfehler in Überhangbereichen zu vermeiden, werden die Laserparameter zusätzlich an den durch die Geometrie bestimmten Temperaturverlauf angepasst. Grundlage dafür ist eine thermische Simulation, die auf einem neuen, schnelleren Ansatz basiert. Die Simulation liefert zwar weniger präzise Ergebnisse als detaillierte Modelle, erlaubt aber eine schnelle Anpassung der Scanstrategien.