Um mehrere hundert Millionen Tonnen CO2 pro Jahr in der weltweiten Stahlproduktion einzusparen wollen Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der Industriepartner SMS group ein neues Verfahren vorantreiben. Dieses basiert auf der Modernisierung bestehender Hochofentechnologie mit moderaten Investitionen und wurde bereits erfolgreich in einer Pilotanlage demonstriert. Die Forschenden berichten in der Fachzeitschrift Energy Advances.
Die Stahlindustrie ist verantwortlich für rund acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Dass sich dies schnell ändern müsse ist die Ansicht von Professor Olaf Deutschmann vom Institut für Technische Chemie und Polymerchemie (ITCP) des KIT. Langfristig gebe es dank neuer Wasserstofftechnologien zwar eine klimaneutrale Perspektive, doch bis dafür weltweit ausreichend grüner Wasserstoff zur Verfügung stehe und neu gebaute Anlagen in Betrieb gingen, vergingen noch einige Jahre.
„In der Klimakrise haben wir dafür keine Zeit, wir müssen schon jetzt gegensteuern. Das Potenzial ist enorm. Wir erwarten, dass sich durch die Nachrüstung bestehender Hochöfen bei moderaten Investitionskosten etwa zwei bis vier Prozent der weltweiten direkten CO2-Emissionen einsparen lassen“, so Deutschmann.
Reduzierte Emissionen
Bereits beim Rohstoff Eisen setzt das neue Verfahren an, den die Stahlwerke meist direkt aus Bergbauerzen gewinnen, in denen er in oxidierter Form vorliegt. Üblicherweise erfolgt die Reduktion, also das Entfernen des Sauerstoffs, mithilfe von Koks im Hochofen. Dieser liefert nicht nur als Brennstoff die notwendige Energie für die Schmelze, sondern dient gleichzeitig auch als Reduktionsmittel für die chemische Reaktion.
„Koks wird speziell für diesen Zweck in einem energieintensiven Prozess aus fossiler Kohle gewonnen. In unserem Verfahren recyceln wir CO2 aus dem Hochofengas mit Kokereigas, um ein Synthesegas mit hohem Wasserstoffanteil zu produzieren, das als Koksersatz im Hochofen genutzt werden kann.“, erklärt Philipp Blanck vom ITCP.
Um eine bestehende Anlage nachzurüsten, müssen vorhandene Heißwinderzeuger, auch Cowper genannt, modifiziert werden. In diesen Cowpern werden dann Methan und CO2 aus dem Kokereigas zusammen mit CO2 aus dem Hochofengas zu Synthesegas, einem Gemisch aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid, umgesetzt. Dieser Prozess, die sogenannte Trockenreformierung, erfordert eine hohe Temperatur, die zum großen Teil aus der Prozesswärme des Hochofens gewonnen wird. Das Synthesegas wird anschließend in den Hochofen eingeblasen und unterstützt dort die Reduktion des Eisenoxids.
„Pro Tonne erzeugtem Stahl können so signifikante Mengen an Koks eingespart werden, was wiederum die spezifischen CO2-Emissionen um bis zu zwölf Prozent senkt“, so Blanck.
Erfolgreich durchgeführte Demonstration
bei der Aktien-Gesellschaft der Dillinger Hüttenwerke (Dillinger) im Saarland erfolgten die Demonstration und Validierung des Verfahrens. Der Transfer wurde auch durch die Zusammenarbeit mit der omegadot software & consulting GmbH, einer Ausgründung aus dem KIT, ermöglicht. Das auf Industriesoftware spezialisierte Start-up entwickelt eine Software, die eine präzise Simulation und Visualisierung des Verfahrens ermöglicht und das Scale-up hin zu einer Industrieanlage maßgeblich unterstützt. Die Pilotanlage wird von SMS group gemeinsam mit den Partnern Dillinger und Saarstahl, die Stahl mit weniger CO2-Emissionen produzieren wollen, in Dillingen betrieben.
„Es ist wichtig zu betonen, dass die Integration des neuen Verfahrens in das Werk nur ein erster Schritt in der Transformation der Stahlindustrie sein wird“, so Gilles Kass aus der Forschungsabteilung bei SMS group.