Eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt alarmierende Zahlen. Noch nie haben Unternehmen so viel Geld aus Deutschland abgezogen wie im vergangenen Jahr. Nach OECD-Zahlen sind es vor allem die ausländischen Investitionen in Deutschland, die fast vollständig eingebrochen sind, insbesondere die Investitionen von europäischen Nachbarn.
Fachkräftemangel, Protektionismus, Verkehrswende
Das IW definiert drei Hauptpunkte, die zu dieser Entwicklung führen. Erstens steht Deutschland vor einem massiven Fachkräfteproblem. Zweitens wird das deutsche Exportmodell durch wachsenden Protektionismus behindert. Hier wirkt sich der amerikanische Inflation Reduction Act negativ auf die Attraktivität Deutschlands aus, aber auch Geld aus europäischen Investitionsoffensiven wie dem NextGenerationEU-Programm kommen nicht in Deutschland an. Drittens wird das Zugpferd Automobilindustrie durch den Wegfall des Verbrennungsmotors ausgebremst. Damit verliert die deutsche Wirtschaft ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal.
Investitionseinflüsse im Detail
Nachdem sich der Netto-Abfluss an Kapital aus Deutschland zwischen 2014 und 2018 zunächst abgeschwächt hatte, stieg er ab 2019 wieder stark. Mit rund -132 Milliarden USD im Jahr 2022 erreichte er nun den höchsten, bisher verzeichneten Netto-Abfluss.
Der Bruch in der Entwicklung zwischen 2018 und 2019 stütze die Analyse des Wirtschaftswissenschaftlers und ehemaligen ifo-Präsidenten Hans-Werner Sinn, „Die deutsche Industrie ist herzkrank geworden“. Demnach hat die Automobilindustrie in Folge zu hoher Abgas-Grenzwerte, deren Verschärfung Ende 2018 beschlossen wurde, ihre Wettbewerbsfähigkeit zum Teil eingebüßt, da die Grenzwerte zu einer Entwicklung weg vom Verbrennungsmotor führen. Da die Automobilindustrie eine Schlüsselbranche in Deutschland ist, wirkt sich ihr Straucheln auf die gesamte deutsche Industrie aus.
Energiepreissteigerungen sowie Unsicherheiten in der Energiesicherheit, die durch die Abschaltung von Kernkraftwerken nicht vermindert wurden, dürften ebenfalls eine Ursache für die gestiegenen Netto-Abflüsse darstellen. Dies wird an den höheren Abflüssen ab dem zweiten Quartal deutlich, die bereits voll unter dem Eindruck des Krieges ab dem 24. Februar stehen.
Die niedrigen Wachstumsaussichten sind auch eine Folge der Überalterung, die eine Ursache für den Fachkräftemangel ist. Weitere Abflüsse werden Investitionen zur Sicherung wichtiger Rohstoffe im Ausland geschuldet sein.
Die Auswirkungen des Inflation Reduction Act (IRA) der USA, der Investitionen in den USA subventioniert, könnten jedoch erst mit den Daten des Jahres 2023 näher analysiert werden. Jedoch scheint der zunehmende Protektionismus ein Faktor für die sinkende Attraktivität Deutschlands zu sein: Durch zunehmende Handelshemmnisse sowie Subventionen werden Investitionen bei den Handelspartnern attraktiver.
Investitionen in Deutschland
Die meisten Investitionen in Deutschland 2022 stammen aus den USA. Laut den Daten der Deutschen Bundesbank sind die Investitionen aus Europa jedoch dramatisch von 79 auf 13 Milliarden Euro eingebrochen. Die meisten Stellen wurden von US-Unternehmen angekündigt, gefolgt von chinesischen Investoren mit rund 4.600 Stellen.
Laut IW-Ökonom Dr. Christian Rusche, dem Autor der Studie, seien viele Probleme hausgemacht, darunter hohe Unternehmenssteuern, ausufernde Bürokratie und eine marode Infrastruktur. „Damit Deutschland künftig wieder zur ersten Adresse für ausländische Investitionen wird, muss die Bundesregierung dringend gegensteuern.“