Vor dem Hintergrund der prekären Situation auf dem Arbeitsmarkt für Ingenieure und Ingenieurinnen hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil aus Sicht des VDI die ersten richtigen Maßnahmen angekündigt, um den Fachkräftemangel zu entschärfen. Fakt ist, das derzeit über 153.000 Stellen für Ingenieur:innen insbesondere in den Informatikerberufen und in der Bauindustrie nicht besetzt werden können, wie aus einer Pressemitteilung des VDI hervorgeht.
Fachkräftemangel: Energiewende wird schwierig
In Zukunft werde diese Zahl auch aufgrund des demografischen Wandels noch weiter steigen. “Der Fachkräftemangel wird damit zum Bremsklotz. Vorhaben wie die beschleunigte Energiewende drohen zu scheitern”, so Ralph Appel, Direktor des VDI.
“Angesichts der Forderungen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, dass die Energiewende dreimal so schnell von statten gehen soll und angesichts der aktuellen, angespannten Situation auf dem Energiemarkt, bekommt die Entwicklung eine ganz spezielle Dramatik. Wir stehen nämlich vor einem Energiewende-Dilemma – ausgelöst durch den Fachkräftemangel”, ergänzt Appel.
Zudem sei es gerade jetzt entscheidend, den Technologiestandort wettbewerbsfähig zu machen.
Bedarf an Fachkräften kann nicht gedeckt werden
Laut dem Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft, IW, dass für den VDI quartalsweise den Ingenieurmonitor erstellt, kann die steigende Nachfrage an Fachkräften insbesondere durch die Klima- und Energiewende nicht gedeckt werden. So erwarten für die kommenden fünf Jahre 32 % aller Unternehmen und sogar 63 % aller Unternehmen ab 250 Beschäftigten einen steigenden Bedarf an IT-Experten speziell zur Entwicklung klimafreundlicher Technologien und Produkte. Der Ausblick ist dem IW zufolge trübe, da die Anzahl der Studienanfänger:innen in den Ingenieurwissenschaften und Informatik in den letzten fünf Jahren um rund 15 % gesunken ist. Daher ist in den kommenden Jahren weiterhin mit sinkenden Absolvent:innen-Zahlen zu rechnen.
“Der zunehmende Fachkräftemangel hinterlässt auch im 2. Quartal 2022 auf dem Ingenieurarbeitsmarkt seine Spuren”, sagt Ingo Rauhut, Geschäftsführer Fachbeirat Beruf und Arbeitsmarkt. Im zweiten Quartal des Jahres nahm die Anzahl der offenen Stellen weiter zu und erreichte mit 171.300 einen erneuten Rekordwert. “Dies ist ein Zuwachs um 46,2 % im Vergleich zum Vorjahresquartal”, so Rauhut. Besonders stark ist die Anzahl an offenen Stellen in den Ingenieurberufen Technische Forschung und Produktionssteuerung sowie in den Ingenieureberufen Energie- und Elektrotechnik gestiegen. Während im letzten Quartal 2021 insgesamt 140.000 offene Stellen nicht besetzt werden konnten, steigerte sich der Bedarf im ersten Quartal 2022 bereits auf 151.300 offene Stellen.
Ingenieur- und Informatikberufe: Positive Entwicklung auf lange Sicht
Betrachtet man die Entwicklung in den Ingenieur- und Informatikerberufen in der langen Frist, zeigt sich bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung im Zeitraum von Ende 2012 bis Ende 2021 ein sehr erfreuliches Bild. “In den Informatikerberufen ist die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung um 109,3 % gestiegen, in den Bauingenieurberufen um 44,4 % und in den Ingenieurberufen Technische Forschung und Produktionssteuerung verzeichnen wir ein Plus von 31,6 %”, gibt der VDI-Arbeitsmarktexperte an.
“Wir werden mindestens 34.000 Ingenieure und Ingenieurinnen aus dem Ausland jährlich benötigen, um am Standort weiterhin mit technischen Produkten und Prozessen erfolgreich zu sein. Um diesen Zufluss an Fachkräften erreichen zu können, ist ein Abbau der bürokratischen Hürden dringend erforderlich und muss zügig auf den Weg gebracht werden. Die von Bundesminister Heil vorgestellte Chancenkarte, bei der drei von vier Kriterien erfüllt sein müssen, damit Arbeitssuchende aus Drittländern nach Deutschland kommen können, ist sicher ein probates Instrument. Neben Sprachkenntnissen, Ausbildung, Alter und Berufserfahrung ist aber auch die Attraktivität des Arbeits- und Lebensstandortes Deutschland ein wichtiger Faktor”, erklärte Appel in der Pressemeldung abschließend.
Weitere Informationen sowie die neueste Ausgabe des VDI-/IW-Ingenieurmonitor gibt es unter www.vdi.de.