Bereits in den 2000er Jahren wurde in Deutschland die unterirdische Speicherung von CO2 diskutiert, der Einsatz von Carbon Capture and Storage (CCS) stieß jedoch auf großen gesellschaftlichen und politischen Widerstand.
Im Einvernehmen mit der im letzten August beschlossene Carbon-Management-Strategie möchte die Bundesregierung nun zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045 die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid in verschiedenen Bereichen genehmigen.
Was steckt hinter diesem Kurswechsel? Wissenschaftler des Forschungsinstituts für Nachhaltigkeit – Helmholtz-Zentrum Potsdam (RIFS) und der Universität Wien haben die Hintergründe in einer Studie beleuchtet.
CCS: Gesellschaftspolitischer Widerstand in den 2000er Jahren
Hauptakteure von CCS-Projekten waren in den 2000er Jahren insbesondere Kohleunternehmen wie RWE oder Vattenfall. Auch im politischen Spektrum fanden sich Befürworter.
Erste, von RWE 2009 durchgeführte, Probesprengungen im Rahmen der Standortbestimmung an der Küste Schleswig-Holsteins hatten jedoch massive Proteste seitens der Bevölkerung zur Folge; zumal diese zuvor keine Kenntnis davon gehabt haben soll. Die CDU-geführte Landesregierung, die das Thema CCS zuvor unterstützt hatte, distanzierte sich anschließend wieder davon.
Studien-Erstautor Tobias Haas (RIFS) erläutert, dass in den 2000er Jahren neben den hohen Kosten für eine CCS-Infrastruktur in erster Linie die Risiken der unterirdischen Speicherung in Politik und Gesellschaft lebhaft diskutiert wurden. Die größte Gefahr sah man laut Haas in einer „Entweichung von CO2 aus Speicherstätten“ und neben anderem in den möglichen Folgen für die Gesundheit.
Zuspitzung des Klimawandels führt zu Umdenken
Die Verschärfung der Klimakrise führt laut Haas seit einigen Jahren zu einer verstärkten Politisierung des Themas, was die Festlegung weltweiter, ambitionierter Klimaziele mit sich brachte. Die dringlichste Frage sei der Umgang mit vermeidbaren Emissionen (wie landwirtschaftlichem Methan oder CO2 aus der Zementproduktion). Aus diesem Grund erfahre der Diskurs zu Carbon Capture and Storage seit einigen Jahren eine „Renaissance“.
Die Studienautoren benennen vier Hauptgründe, die aus ihrer Sicht im Vergleich zu den 2000er Jahren für eine neue Dynamik in der CCS-Diskussion sorgen: Zwei Gründe seien im jährlichen Anstieg von Treibhausgasemissionen und der zunehmenden Politisierung (z. B. durch die Klimawissenschaft, Initiativen wie Letze Gereration, Fridays for Future oder Extinction Rebellion) zu finden, die drittens ein Umdenken in der internationalen Klimapolitik nach sich gezogen hätten. Als vierten Grund führen die Verfasser die Ausweitung der Dekarbonisierungbereiche mit dem Klimaschutzgesetz 2019 – von der Stromversorgung (2000er Jahre) auf weitere Branchen wie die Zement-, Stahl- oder Chemieindustrie sowie den Mobilitätssektor – an.
Dekarbonisierungs-Kurs beibehalten, Wohlstandsmodelle überdenken
Autor Tobias Haas warnt davor, beim Umgang mit CCS und schwer vermeidbaren Emissionen, den er als Schlüsselkonflikt bezeichnet, die Weichen falsch zu stellen.
„Statt einseitig auf neue Technologien zu setzen, sollten wir viel mehr über Suffizienz, also über ein genügsameres Wohlstandsmodell, diskutieren. Wenn wir den Bedarf an klimaschädlicher Produktion reduzieren, können wir unsere Emissionen senken, und entsprechend würde auch die Menge an Restemissionen sinken, die es auszugleichen gilt.“
Keinesfalls aber dürfe die Dekarbonisierung durch den künftigen Einsatz von CCS verschleppt werden.