Im September 2025 hat die deutsche Stahlindustrie einen bedeutenden Fortschritt mit der Einführung des Low Emission Steel Standard (LESS) erzielt. Mehrere große Stahlunternehmen erhielten als erste die Zertifizierung nach diesem neuen Bewertungssystem, das eine transparente Einordnung von CO₂-reduziertem Stahl ermöglicht.
Der LESS-Standard ist ein sechs Stufen umfassendes Klassifizierungssystem, das Stahlproduktionsprozesse anhand ihrer CO₂-Emissionen und des Schrottanteils bewertet. Die Skala reicht von Klasse E (konventionelle Herstellung) über die Low-Emission-Kategorien D bis A bis hin zur höchsten Stufe „Near Zero“, die nahezu emissionsfreies Stahlprodukt kennzeichnet. Vorgestellt wurde das System im Frühjahr 2024; es wird von LESS AISBL, einem gemeinnützigen Verein mit Sitz in Brüssel, verwaltet. Es baut auf den Methoden der Internationalen Energieagentur (IEA) auf und wurde bereits 2022 von den G7-Ministerinnen und -Ministern als solider Beginn anerkannt.
Wesentliche Bewertungskriterien
Der Standard evaluiert Stahlprodukte anhand dreier Hauptkriterien:
- Die Klimaleistung wird auf einer Skala von E bis A plus der Klasse „Near Zero“ bewertet.
- Der Schrottanteil gibt an, wie viel recyceltes Material im Herstellungsprozess verwendet wird.
- Der Product Carbon Footprint (PCF) erfasst die messbaren CO₂-Emissionen über die gesamte Wertschöpfungskette.
Die Bewertung erfolgt durch externe und anerkannte Prüfstellen wie den TÜV Nord, um Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit sicherzustellen.
Erste Zertifizierungen führender Stahlunternehmen
- Salzgitter-Konzern: Mehrere Unternehmen des Konzerns wie Salzgitter Flachstahl GmbH oder Peiner Träger GmbH erhielten LESS-Klassifikationen. Die SALCOS®-Produkte erreichen überwiegend Klasse C, einige auch A und B.
- ThyssenKrupp Steel: Für warmgewalzten Stahl in konventioneller Produktion wurde die Stufe D vergeben. Künftig will ThyssenKrupp mit seinen direkt reduzierten bluemint®-Produkten (unter Einsatz von Wasserstoff) Klasse A erreichen und perspektivisch „Near Zero“ anstreben, sobald auch die Vorstufen dekarbonisiert sind.
- GMH Gruppe: Als einer der Pioniere der LESS-Zertifizierung erreichte die Georgsmarienhütte GmbH Klasse B; andere ihrer Produkte wurden in den Klassen C und D eingeordnet. Teilweise nutzt das Unternehmen schon seit Jahren Elektrolichtbogenöfen mit hohem Anteil an recyceltem Schrott.
Technologische Hintergründe
Die erreichten Klassifizierungen basieren auf verschiedenen Technologien: Beispielsweise ermöglichen strombasierte Prozesse wie der Elektrolichtbogenofenbetrieb mit hohem Schrottanteil bereits heute gute Bewertungen. Für die höchsten Einstufungen wird die Direktreduktion mit Wasserstoff als zentrale Zukunftstechnologie gesehen. Aber auch optimierte klassische Verfahren – etwa bei Hochofenrouten – lassen sich durch gezielte Verbesserungen besser bewerten.
Bedeutung und Erwartungen
Mit LESS soll ein grüner Leitmarkt etabliert werden, der CO₂-reduzierte Grundstoffe rasch in unterschiedliche Wertschöpfungsketten einführt. Kunden aus der Stahlverarbeitung erhalten nun erstmals einheitliche Informationen, mit denen sie ihre Einkäufe im Einklang mit eigenen Klimazielen steuern können.
Die Industrie sieht sich nach eigener Darstellung mittlerweile gut aufgestellt: Die technischen Voraussetzungen seien geschaffen. Nun liegt es an der Politik, die regulatorischen Rahmenbedingungen weiter anzupassen und grüne Märkte zu fördern, damit sich die Transformation zur klimafreundlicheren Stahlproduktion durchsetzen kann.
Die ersten Zertifizierungen im September 2025 markieren den Beginn der praktischen Anwendung des LESS-Standards, wobei die beteiligten Unternehmen sich als Vorreiter in einem umfassenderen Wandel verstehen – national wie international.