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24.11.2010

dena-Netzstudie II: Integration erneuerbarer Energien erfordert Optimierung des Stromsystems

Drei Ziele standen dabei im Vordergrund: Integration von 39 Prozent Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, insbesondere Windkraft, optimaler wirtschaftlicher Einsatz konventioneller Kraftwerke und Berücksichtigung des zunehmenden europäischen Stromhandels. Die Studie zeigt, welche technischen und wirtschaftlichen Optionen zur Verfügung stehen, um diese Ziele optimal miteinander zu vereinbaren.

Die dena-Netzstudie II wird von einem breiten Projektsteuerungskreis getragen und finanziert. Dazu gehören das Bundeswirtschafts- und das Bundesumweltministerium, Unternehmen und Verbände der Windenergiebranche, Übertragungsnetzbetreiber, Industrieunternehmen und Verbände der Energiewirtschaft. Die Studienergebnisse wurden von allen Beteiligten einstimmig auf der Projektsteuerungskreissitzung am 17. November 2010 angenommen.

"Deutschland setzt zu Recht auf erneuerbare Energien", betonte Stephan Kohler bei der Vorstellung der Studienergebnisse in Berlin. "Aber der Ausbau der Erneuerbaren stellt das Energiesystem auch vor große Herausforderungen. Wir müssen den Windstrom von Nord- und Ostsee zu den Verbrauchern im Süden bringen. Und konventionelle Kraftwerke müssen so modernisiert und betrieben werden, dass sie sich mit den Erneuerbaren optimal ergänzen und gleichzeitig wirtschaftlich betrieben werden können. Mit der dena-Netzstudie II haben wir die notwendige Entwicklung des Energiesystems gründlich analysiert. Die Studie liefert über die reine Ermittlung des Netzausbaubedarfs hinaus eine verlässliche Strategie für die Optimierung des gesamten Energiesystems in Deutschland. Kein anderes Land verfügt über eine solch umfassende und systemorientierte Roadmap für die Erreichung des regenerativen Energiezeitalters."

Technische Varianten und systematischer Ansatz

Die Studie prüft verschiedene Varianten zur Weiterentwicklung des Stromnetzes in Deutschland. Zum einen wurden die heute verfügbaren und in Entwicklung befindlichen Netztechnologien untersucht, von Freileitungen mit Standardübertragungsfähigkeit über Hochtemperaturleiterseile und Hochspanungsgleichstromübertragung bis zu Erdkabeln. Darüber hinaus wurden weitere systemrelevante Maßnahmen berücksichtigt, zum Beispiel die Erhöhung der Leitungskapazitäten durch Temperaturmonitoring, die Steuerung der Stromnachfrage und der Einsatz von Stromspeichern, insbesondere in Form von Pumpspeicherkraftwerken, Druckluft- und Wasserstoffspeichern. Bei allen Varianten wurde untersucht, wie sich die Maßnahmen im Gesamtsystem auswirken.

Die Studie wurde von einem Konsortium unter der Leitung des Energiewirtschaftlichen Instituts der Universität Köln (ewi) erstellt. Zwei externe Gutachter haben die Ergebnisse geprüft. Beide sehen in der Studie eine sehr gute Grundlage für die weitere Netzplanung. Prof. Dr.-Ing. Ulrich Wagner von der TU-München kommt zum Fazit: "Die Studie zeigt wissenschaftlich und nachvollziehbar die dominierende Bedeutung des Netzausbaus zur Integration erneuerbarer Energien im Stromsektor. Mit Blick auf die extrem komplexe Fragestellung, die vielfältigen Anforderungen an die Berücksichtigung technischer und wirtschaftlicher Modell-Parameter und den hohen Zeitdruck liefert die Studie sehr robuste Lösungen." Prof. Dr.-Ing. Armin Schnettler von der RWTH Aachen schreibt: "Die Methodik zum Vergleich geeigneter Technologien für Übertragungsaufgaben ermöglicht einen bisher in Deutschland nicht verwendeten Grad der Objektivierung der Bewertung technischer Lösungsansätze."

Ausbaubedarf für Standard-Freileitungen, Temperaturmonitoring und Hochtemperaturleiterseile

Bei Verwendung etablierter 380-kV-Freileitungstechnik müssen 3.600 km Höchstspannungstrassen bis zum Jahr 2020 neu gebaut werden. Die Kosten für diese Basisvariante betragen einschließlich des Anschlusses der Offshore-Windparks insgesamt 9,7 Milliarden Euro.

Neben der Basisvariante mit Standardübertragungsfähigkeit wurden auch zwei technische Varianten mit höherer Betriebsmittelbelastbarkeit im Übertragungsnetz berechnet, Freileitungsmonitoring und Hochtemperaturleiterseile. Beim Freileitungsmonitoring wird die Betriebstemperatur der Leiterseile überwacht, um bei bestimmten Witterungsbedingungen mehr Strom durchzuleiten. Da diese Witterungsbedingungen aber nur zeitlich begrenzt auftreten, lässt sich durch dieses Verfahren der Netzausbau nur sehr geringfügig auf 3.500 km reduzieren. Darüber hinaus müssten weitere 3.100 km der bestehenden Freileitungstrassen im Übertragungsnetz baulich angepasst werden. Die Kosten wären mit insgesamt 9,8 Milliarden etwas höher als in der Basisvariante.

Beim Einsatz von Hochtemperaturleiterseilen ergibt sich ein Netzausbaubedarf von 1.700 km neuer Trassen und eine Umrüstung von 5.700 km bestehender Trassen. Durch die Umrüstung bestehender Leitungen sind höhere Seilkosten, Mastmodifikationen und Provisorien notwendig. Die Investitionskosten wären deshalb mit 17 Milliarden Euro wesentlich höher als bei den anderen beiden untersuchten Varianten.

Netzausbau auf Basis alternativer Übertragungstechnologien

Neue Freileitungen verändern das Landschaftsbild. Anwohner machen sich auch häufig Sorgen über mögliche Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt. In den betroffenen Regionen wird deshalb oft gefordert, die Leitungen in die Erde zu verlegen. Die Netzstudie II hat hierfür verschieden Varianten untersucht. Der Einsatz von erdverlegten Gleichspannungstrassen reduziert den benötigten Netzausbau geringfügig auf 3.400 km, ist aber mit Kosten von 22 bis 29 Milliarden Euro deutlich teurer.

Kohler: "Wir brauchen eine Akzeptanzoffensive, die bei der Bevölkerung das Bewusstsein schafft, dass Deutschland den Netzausbau braucht. Unsere Studie hat für die Bewertung der verschiedenen technischen Optionen klare und nachvollziehbare Kriterien erarbeitet, die neben der technischen Realisierbarkeit auch die Kosten und die Auswirkungen auf die Umwelt berücksichtigen. In der nun notwendigen konkreten Trassenplanung können diese Kriterien als Entscheidungshilfe dienen, um zum Beispiel die Vor- und Nachteile von Freileitungs- oder Erdkabelsystemen zu verdeutlichen. Das fehlende Stromnetz darf nicht zum Flaschenhals werden, der den Ausbau der erneuerbaren Energien bremst." Die 2005 veröffentlichte dena-Netzstudie I hatte bereits einen Ausbaubedarf von 850 km bis 2015 ermittelt. Davon wurden bislang aber erst 90 km fertiggestellt.

Auswirkungen der Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken

In der dena-Netzstudie II wurde der im Jahr 2008 geltende Ausstieg aus der Kernenergie unterstellt. Die Auswirkungen der im Oktober 2010 vom Deutschen Bundestag beschlossenen Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke wurden nachträglich durch das Gutachterkonsortium geprüft. Demnach hat die Laufzeitverlängerung keine grundlegenden Auswirkungen auf den benötigten Netzausbau.

Kostenfreier Download des Ergebnisberichts und weitere Informationen zur dena-Netzstudie II unter: www.dena.de/netzstudie.

Quelle: dena, presse@dena.de