01.12.2011
Weltweit gesehen nahm die Produktion nahtloser Stahlrohre 2010 besonders stark zu, aber auch der Sektor der geschweißten Rohre konnte zulegen. Treibende Kraft hinter dieser Entwicklung war wieder einmal der Energiesektor.
Im Jahr zuvor konnte man die rasche Erholung der globalen Konjunktur kaum vorhersehen. Die Stahlrohrproduktion verzeichnete 2009 weltweit einen Rückgang um 13 Prozent auf 109 Millionen Tonnen. Auch die stark von den internationalen Märkten abhängige deutsche Stahlrohrindustrie war – abgesehen von der Großrohrproduktion – von der Entwicklung betroffen. Fast alle Abnehmerbereiche notierten mehr oder weniger starke Einbrüche. So gingen nicht nur die Explorationsaktivitäten der Öl- und Gasindustrie infolge des sinkenden Energieverbrauchs sowie fallender Öl- und Gaspreise zurück. Auch wichtige Abnehmerbranchen wie Maschinenbau und Automobilindustrie hielten sich mit Bestellungen stark zurück. Eine Ausnahme bildete der Kraftwerkssektor, der aufgrund langer Vorlaufzeiten auch 2009 den Ausbau der weltweiten Kapazitäten fortsetzte.
Von den großen Rohrherstellern konnte 2009 nur China seine Produktion erhöhen. Mit einem Plus von 14 Prozent auf 53 Millionen Tonnen baute die Volksrepublik ihre Stellung als weltweit führender Stahlrohrproduzent weiter aus. Dagegen ging die Produktion in den GUS-Staaten um 19 Prozent zurück, wobei Russland allein nur einen Rückgang um 13 Prozent verzeichnete. Regelrechte Einbrüche mussten die Stahlrohrhersteller in den USA (minus 45 Prozent) und der EU (minus 32 Prozent) hinnehmen. Die deutsche Stahlrohrproduktion ging 2009 um 25 Prozent auf 2,9 Millionen Tonnen zurück. Dabei profitierte die deutsche Produktion bei Großrohren vom langfristig angelegten Projektgeschäft, das einen noch größeren Absturz verhinderte.
Betroffen von der Entwicklung waren alle Rohrsorten, wobei die Produktion geschweißter Großrohre weltweit mit 21 Prozent (auf 15 Millionen Tonnen) stärker einbrach als die geschweißter Stahlrohre bis 16 Zoll (406 Millimeter) Außendurchmesser, die einen Rückgang von 10 Prozent auf 62 Millionen Tonnen verzeichneten. Nahtlose Stahlrohre lagen mit einem Minus von 16 Prozent (auf 33 Millionen Tonnen) dazwischen. Davon entfielen übrigens allein 22 Millionen Tonnen, also zwei Drittel der Weltproduktion, auf China, das in den letzten Jahren die Kapazitäten für nahtlose Stahlrohre stark erweiterte. Vor allem in den USA und in Russland wurden dagegen 2009 neue Produktionslinien für Großrohre errichtet.
Die Weltwirtschaftskrise beeinflusste zeitlich verzögert auch die Entwicklung der Preise. Sinkende Rohstoffkosten im ersten Halbjahr 2009 verursachten im weiteren Jahresverlauf in Verbindung mit einem aus der Nachfrageschwäche resultierenden zunehmenden Wettbewerbsdruck deutlich fallende Preise. Dabei waren auf den Spotmärkten stärker schwankende Preise zu registrieren als bei Produkten, die über Langfristverträge vermarktet wurden und eine stabilere Preisentwicklung aufwiesen. (Quelle: Wirtschaftsvereinigung Stahlrohre e.V.)
Deutlich gestiegene Stahlrohrnachfrage in 2010
Mit einem Zuwachs der weltweiten Produktion von 13 Prozent auf rund 124 Millionen Tonnen in 2010 ließ die Stahlrohrindustrie den Einbruch des Vorjahres schneller hinter sich als erwartet. Bemerkenswert daran ist, dass nach nur einem Jahr die Rekordergebnisse der Jahre 2007 und 2008 wieder erreicht werden konnten. Einen großen Anteil an dieser Entwicklung hatten wieder die chinesischen Stahlrohrhersteller. Mit einem Zuwachs der Produktion um 9,5 Prozent auf 58 Millionen Tonnen erreichten sie 2010 einen Weltmarkanteil von 46 Prozent. In der übrigen Welt nahm die Produktion gegenüber 2009 sogar um 17 Prozent auf 67 Millionen Tonnen zu. Dieses prozentual starke Wachstum sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Rekordwert des Boomjahres 2008 (knapp 80 Millionen Tonnen) doch deutlich verfehlt wurde.
Im Vergleich zu 2009 konnten 2010 alle Rohrsegmente zulegen, wenn auch mit unterschiedlichen Steigerungsraten. Den höchsten Zuwachs verbuchten die nahtlosen Stahlrohre, deren Produktion weltweit um 19 Prozent auf etwa 39 Millionen Tonnen zunahm. Geringer fiel die Nachfragebelebung nach kleinen geschweißten Rohren (bis 406 Millimeter Außendurchmesser) und geschweißten Großrohren aus, die um jeweils 11 Prozent zulegen konnten. Mit deutlich mehr als 60 Millionen Tonnen blieb das Marktsegment der kleinen geschweißten Rohre mit Abstand der größte Produktbereich vor den nahtlosen Rohren mit etwa 39 Millionen Tonnen. Motor dieser Entwicklung war einmal mehr der Energiesektor, der infolge der wieder gestiegenen Ölpreise für verstärkte Investitionen sorgte. Auch die erhöhte Nachfrage aus dem Automobilbau und die im Jahresverlauf später hinzu gekommene Erholung im Maschinenbau trugen zum Wachstum bei.
Mit rund 13 Millionen Tonnen erzielten die europäischen Stahlrohrhersteller 2010 einen Zuwachs gegenüber dem Vorjahr von 13 Prozent, was dem durchschnittlichen weltweiten Wachstum entsprach. Prozentual etwas geringer fiel das Produktionsplus der deutschen Hersteller aus. Hier war 2010 eine Zunahme der Produktion um 10 Prozent auf etwas über 3 Millionen Tonnen zu verzeichnen. Dabei ist freilich zu berücksichtigen, dass die deutschen Stahlrohrindustrie aufgrund der guten Beschäftigungslage im Großrohrbereich das Krisenjahr 2009 insgesamt besser überstanden hatte als andere europäische Produzenten.
Gestiegene Rohstoffkosten drücken Gewinne
Die anziehende Stahlrohrnachfrage sorgte im Verlauf des vergangenen Jahres zwar für steigende Produktionsmengen, jedoch nicht für gleichermaßen sprudelnde Gewinne. Denn im Zuge der weltweiten Konjunkturerholung hatte die Stahlrohrbranche 2010 mit teilweise erheblichen Preissteigerungen bei Rohstoffen für die Stahlerzeugung zu kämpfen. Die Verteuerung vor allem bei Erz und Kokskohle beeinträchtigte die Margen insbesondere bei den im Jahr davor zu Festpreisen gebuchten Aufträgen. Meist gelang es den Unternehmen erst bei neuen Aufträgen, diese Kostensteigerungen in den Preisen zu berücksichtigen. Wie die Stahlindustrie generell ist die Stahlrohrbranche nach eigenen Aussagen aktuell mit einer extremen Preisvolatilität der Rohstoffe für die Röhrenproduktion konfrontiert, die sie vor neue Herausforderungen stellt.
Die insgesamt gegenüber 2009 verbesserte Marktlage darf also nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Branche auch 2010 noch mit vielen Schwierigkeiten konfrontiert war. So hatten stornierte oder verschobene Projekte einen zeitweiligen Auftragsmangel zur Folge. Die daraus resultierenden Beschäftigungslücken konnten in Deutschland in vielen Fällen mit Hilfe der Kurzarbeit überbrückt werden. Betroffen davon waren hierzulande vor allem die Bereiche der spiralnahtgeschweißten Großrohre und der HFI- (Hochfrequenz induktiv) geschweißten Rohre.
Dass sich der Auftragseingang eines deutschen Rohrherstellers im Großrohrbereich in 2010 gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelte, lag besonders an der Akquisition zweier Pipeline-Großaufträge. So erhielt der Mülheimer Großrohrhersteller Europipe GmbH (ein Joint Venture der Salzgitter Mannesmann GmbH und der AG der Dillinger Hüttenwerke) den Zuschlag für die Projekte Nord Stream II und Nordeuropäische Erdgasleitung (NEL).
Auch in Zukunft wird der Erfolg von Stahlrohrherstellern eng mit der Entwicklung ihrer Kundenbranchen verbunden sein. Produzenten von Rohren für die Automobilindustrie und den Maschinenbau sind unmittelbar von der wirtschaftlichen Lage in diesen Branchen abhängig. Das Geschäft von Rohrherstellern, deren Produkte für Infrastrukturprojekte bestimmt sind, weist dagegen einen spätzyklischen Charakter auf. Denn die Energiewirtschaft, die hinter einem großen Teil solcher Projekte steht, richtet sich tendenziell nach den langfristigen Bedarfsveränderungen. Vor allem Unternehmen, zu deren Portfolio Rohre für den Markt leitungsgebundener Medientransporte gehören, können auch langfristig von den Anstrengungen profitieren, die Versorgung mit Energie und Wasser zu sichern. Für Großrohrhersteller gehört die Entwicklung der globalen Öl- und Gasmärkte in Abhängigkeit vom Ölpreis, die weltweite Anzahl aktiver Bohrlöcher, die Gesamtlänge von Explorationsbohrungen sowie der Bedarf an OCTG-Produkten (Oil country tubular goods) zu den Zukunftsindikatoren.
Auch zukünftig zunehmende Nachfrage bei Stahlrohren
Grundlagen für Prognosen sind unter anderem die Annahmen, dass die konjunkturelle Dynamik der Weltwirtschaft voraussichtlich insgesamt etwas nachlässt, der grundsätzliche Aufwärtstrend aber weiter besteht. Auch wird der Aufschwung regional mit unterschiedlicher Stärke und Geschwindigkeit stattfinden. So dürfte die wirtschaftliche Erholung in den Industrieländern durch die hohen Staatsverschuldungen und den anstehenden Finanzreformen gebremst werden. In den Schwellen- und Entwicklungsländern werden dagegen wieder kräftige Zuwächse erwartet. Für die Stahlrohrbranche ergibt sich daraus ein weltweit deutlich positiveres realwirtschaftliches Umfeld als in der jüngeren Vergangenheit.
Vor diesem Hintergrund nimmt man in der Branche an, dass sich trotz der weiterhin bestehenden finanzwirtschaftlichen Risiken in 2011 die Stahlrohrnachfrage erhöht. Für China erwartet man, dass die dortige Stahlrohrproduktion in Zukunft weniger stark zunimmt als bisher und hauptsächlich vom Bedarf im eigenen Land angeschoben wird. Außerhalb des Reiches der Mitte sollte sich der Erholungsprozess ebenfalls fortsetzen, allerdings ohne das Niveau der Boomjahre 2007 und 2008 zu erreichen.
Steigende oder zumindest stabile Öl- und Gaspreise sollten gute Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Investitionsbereitschaft des Energiesektors nicht abnimmt. Hoffnung setzt die Branche auch darin, dass zu den bereits im Bau befindlichen Pipelines weitere große Leitungsrohrprojekte beschlossen werden. Inwieweit sich der Kraftwerksbau außerhalb der Schwellenländer erholen kann, ist für die nähere Zukunft allerdings fraglich. Dagegen sollten die positiven Entwicklungen in der Automobilindustrie und vor allem im Maschinenbau für eine Stabilisierung oder sogar Steigerung der Nachfrage sorgen.
Diese Entwicklungen sollten über 2011 hinaus auch für das kommende Jahr gelten. Dabei gehen die Prognosen davon aus, dass außerhalb Chinas auch 2012 das Rekordniveau der Vorkrisenjahre noch nicht wieder erreicht werden kann. (Quelle: Salzgitter AG)
Keine Prognose, sondern feststehende Tatsache ist, dass die Rohrbranche in knapp vier Monaten zu ihrem weltweit größten Event zusammen findet. Neben Anlagen und Maschinen zur Rohrherstellung und Bearbeitung sowie Dienstleistungen stehen die Rohre selbst im Mittelpunkt der Veranstaltung. Leitungsrohre unterschiedlichster Durchmesser für Öl- und Gaspipelines bis hin zu kleinen Einspritzrohren für Dieselmotoren, Ölfeld- und Kesselrohre, Präzisionsrohre und kaltgefertigte Rohre für den Automobil- und Maschinenbau, Konstruktionsrohre und andere Rohrprodukte – die gesamte Vielfalt des Rohruniversums versammelt sich auf der Internationalen Rohr-Fachmesse Tube, die vom 26. bis 30. März 2012 wieder in Düsseldorf stattfinden wird.
Quelle: Wirtschaftsvereinigung Stahlrohre e.V.
www.wv-stahlrohre.de/jahresbericht