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Thema des Monats April 2011

Durch sie rauschen Öl, Erdgas und Wasser. Manchmal fließt in ihnen auch Bier – wie zu den Fußball-Fans in der Schalke-Arena – oder sie transportieren Moor, etwa in den Kurbädern in Bad Schwartau. Niemand bringt Flüssigkeiten und Gase effizienter vom einen Ort zum anderen als Pipelines. Vor allem als Transporteure von fossilen Brennstoffen sind die Rohrleitungen gefragt. Momentan wird in Deutschland an mehreren großen Pipeline-Projekten gearbeitet, damit Gas ins Land kommt. Doch auch Kohlenmonoxid, Ethylen und sogar Salz sollen in Pipelines durch die Republik geleitet werden.

Bau der OPAL Pipeline

Rund drei Viertel der weltweiten Erdgasreserven sind in einem Umkreis von 4000 Kilometern um Europa per Pipeline erreichbar. Deutschland nimmt darin wegen seiner geografischen Lage eine Verteilerrolle ein, denn im Herzen Europas kreuzen sich die Transportwege. Nun kommt eine wichtige Pipeline hinzu: 55 Milliarden Kubikmeter sibirisches Erdgas werden bald jährlich durch die Ostsee-Pipeline nach Deutschland fließen. Inzwischen liegen rund 1100 Kilometer der 1224 Kilometer langen ersten Leitung zwischen dem russischen Wyborg und der Anlandestation in Lubmin im Wasser, 82 Kilometer davon verlaufen auf deutschem Meeresboden. „Der erste Leitungsstrang soll noch in diesem Jahr in Betrieb genommen werden, der zweite dann im Jahr 2012”, erklärt Matthias Warnig, Managing Director der Nord Stream AG. Durch die neue Leitung wird die EU direkt an eine der größten Gasreserven der Welt angeschlossen.

Die deutschen Verbraucher werden über die Ostsee-Pipeline-Anbindungs-Leitung (OPAL) und die Nordeuropäische Erdgasleitung (NEL) von dem Gas der Ostsee-Pipeline profitieren. Die Arbeiten für die OPAL zwischen Lubmin und dem sächsischen Erzgebirge befinden sich in der Endphase. Mit einer Transportkapazität von 36 Milliarden Kubikmetern pro Jahr und einem Durchmesser von 1,40 Meter wird die OPAL die größte in Europa verlegte Erdgasleitung sein. Mittlerweile sind die Rohre auf gut 430 der 470 Kilometer verlegt, sagt OPAL-Bauleiter Klaus Reisinger. Außerdem soll das russische Gas über die NEL eingespeist werden. Durch sie sollen einst mehr als 20 Milliarden Kubikmeter Erdgas strömen, das sind ein Fünftel des deutschen Erdgasbedarfs. Der Bau der 440 Kilometer langen NEL von Lubmin bis nach Rehden in Niedersachsen ist gerade gestartet, im Herbst 2012 soll sie in Betrieb genommen werden. Die OPAL galt bisher als die längste Baustelle Deutschlands – diesen Titel wird sie nun wohl an die NEL abgeben müssen.

Einen ganz anderen Stoff möchte der Chemiekonzern Bayer mit Hilfe einer neuen Pipeline transportieren. Kohlenmonoxid (CO) soll auf einer 67 Kilometer langen Strecke von Dormagen nach Krefeld-Uerdingen fließen, wo es zur Kunststoffproduktion gebraucht wird. Auch eine rund 360 Kilometer lange Ethylen-Pipeline soll bald süddeutsche Chemieunternehmen an das europäische Ethylen-Leitungsnetz anbinden. Für Chemieunternehmen sind diese Pipelines so wichtig wie Telefon und Strom für andere Branchen. Und die Verwendung für Pipelines geht noch weiter: Selbst Salzlauge aus dem Kali-Abbau des Düngemittel-Konzerns K+S könnte bald durch die Rohrleitungen entsorgt werden. Um die Umwelt möglichst wenig zu belasten, soll eine 63 Kilometer lange Pipeline die Lauge in den Unterlauf der Werra einleiten oder gleich bis zur Nordsee bringen.

Lieferung für die Nord Stream-Pipeline

Bevor die Pipelines allerdings genutzt werden können, müssen unter Aufsicht des TÜV Drucktests durchgeführt werden. Die Kohlenmonoxid-Pipeline von Bayer etwa wurde bereits einer Druckprüfung von über 200 bar unterzogen, dem 15-fachen des späteren Betriebsdrucks. Zum Schutz vor Beschädigungen – beispielsweise durch Bagger – wurde ein Sicherheitsnetz mit farbigem Warnband über der Leitung verlegt. Außerdem wird die Pipeline mit einem modernen Leck-Erkennungs- und Ortungssystem überwacht. Falls eine Störung gemeldet wird, kann die CO-Pipeline sofort über mehrere Schieber abgeriegelt und auf beide Seiten entleert werden. Bei den Erdgasleitungen wird vor allem darauf geachtet, dass die Schweißnähte der Rohre halten. Per Ultraschall und Röntgenstrahlen wird alles millimetergenau kontrolliert. Weder Erdbeben noch Hochwasser können die in Deutschland verlegten Pipelines zerstören.

Normalerweise werden Pipelines einen Meter unter der Erde verlegt. Doch die Rohrleitungen müssen auch Flüsse und Straßen überwinden. Allein die OPAL quert 172 Straßen, vier Autobahnen, 27 Bahnstrecken und 39 größere Gewässer. Bei der Wahl der Trasse orientieren sich die Planer oft an vorhandenen Infrastrukturen, um möglichst wenig in die Landschaft einzugreifen. So wurde die Kohlendioxid-Pipeline zwischen Dormagen und Uerdingen vor allem entlang von Autobahnen und Bahntrassen gelegt. Wohngebiete, Wasserschutzzonen, Bannwälder und andere schützenswerte Bereiche werden umgangen oder untergraben. Pipelines im Meer werden normalerweise auf dem Meeresboden platziert. In manchen Gebieten, zum Beispiel in Anlandungsbereichen oder in Fahrrinnen, wird die Pipeline aber auch dort in einem Graben verlegt, der dann mit Sand aufgefüllt wird.

Für die Pipelines sind – je nach beförderter Flüssigkeit oder Flüssiggas – Rohre in verschiedensten Größen und aus diversen Materialien nötig. Die mit Kunststoff ummantelten Stahlrohre der Kohlenmonoxid-Pipeline haben besonders dicke Wände und sind trotzdem hoch verformbar, sodass sie beim Biegen oder Zusammenpressen nicht reißen. Die 1153 Millimeter dicken Rohre der Ostsee-Pipeline werden aus zugfestem Stahl hergestellt, der für die besonderen Anforderungen unter Wasser ausgelegt ist. Für eine möglichst hohe Transportleistung ist die Innenwand mit einer Beschichtung versehen, die die Reibung zwischen Rohr und Gas vermindert. Außen werden die Rohrstücke mit Beton beschichtet, damit sie stabiler auf dem Meeresgrund liegen.

Bald schon könnten neue Aufgaben auf Pipelines zukommen: Momentan wird das so genannte CCS-(Carbondioxide capture and storage)-Verfahren erprobt. Dabei wird das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2), das in der Industrie und bei der Verbrennung von Kohle entsteht, unter die Erde gebracht. Es wird unter hohem Druck verflüssigt und per Pipeline in tiefe Sandsteinschichten gepresst. Dort soll das klimaschädliche Gas sein Endlager finden.


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