Abbildung 1: Das Herzstück eines jeden Windparks: Die Umspannplattform Quelle: Stiftung Offshore Windenergie/DOTI
Seekabel haben eine lange Tradition. Das erste wurde Mitte des 19. Jahrhunderts durch den Ärmelkanal verlegt, allerdings mit mäßigem Erfolg: Genau ein Telegramm konnte übermittelt werden, bevor das Kabel brach. Heute, rund 160 Jahre später, sind Seekabel so etwas wie die Datenautobahnen der globalisierten Welt. Sie sorgen für schnelle Internetverbindungen und störungsfreie Telefonverbindungen und sind darin wegen der höheren Bandbreite und geringeren Reaktionszeit auch der Satellitentechnologie überlegen. Doch auch als Energiekabel sind Seekabel derzeit gefragt. Durch die Anbindung von Offshore-Windparks an das Stromnetz auf dem Festland sorgen sie dafür, dass der Strom dorthin kommt, wo er gebraucht wird.
Bisher stand die Offshore-Windindustrie im Schatten der Windkraft an Land. Nach Angaben der European Wind Energy Association (EWEA) entfallen nur etwa 2,75 Prozent der weltweit installierten Windkraftkapazität auf den Offshore-Bereich. Der Grund dafür sind die aufwändigere Installation und die höheren Investitionskosten. Mit der Entfernung zum Festland steigen auch die Kosten. Diese sind in Deutschland im europäischen Vergleich besonders hoch, weil zum Schutz des Wattenmeers in Küstennähe nicht gebaut werden darf. Die meisten geplanten Windparks liegen mehr als 30 Kilometer vor der Küste in Wassertiefen von 20 bis 40 Metern, was den Bau besonders schwierig macht.
Doch die Zukunft der Windkraft, da ist sich die Energiebranche einig, liegt auf dem Meer. Dank der höheren Windgeschwindigkeiten und des stärkeren Windaufkommens liegt die Energieausbeute auf See um ca. 40 Prozent höher als auf dem Festland, schätzt der Bundesverband WindEnergie (BWE). Und: gute Standorte sind rar geworden. Auf dem Meer aber gibt es reichlich Platz. Die EWEA geht davon aus, dass 2015 bereits jeder vierte Angestellte der Windindustrie im Offshore-Segment tätig sein wird.
Abbildung 2: Ein mehrere Tausend Tonnen schweres Hochspannungs-Seekabel wird auf das Verlegeschiff verladen
Quelle: ABB
Beim Ausbau der erneuerbaren Energien setzt auch die Bundesregierung vor allem auf Offshore-Wind. Nach ihren Plänen sollen Windkraftanlagen vor Deutschlands Küsten im Jahr 2020 zehn und im Jahr 2030 bis zu 25 Gigawatt Strom produzieren und damit mehr als 15 Prozent des deutschen Strombedarfs. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ködert die deutschen Energieversorger mit einem garantierten Abnahmepreis von 15 Cent je Kilowattstunde offshore produzierten Stroms, sechs Cent mehr als an Land. Mit Erfolg, wie es scheint: Nahezu alle großen Energieversorgungsunternehmen wie E.ON, RWE, Vattenfall und Co planen oder bauen bereits Offshore-Windparks. Der erste zu Testzwecken errichtete Windpark in deutschen Gewässern, alpha ventus, wurde im November 2009 vor Borkum fertig gestellt. Ein wichtiger Schritt, so Dr. Jörg Buddenberg, Abteilungsleiter Energie und Umweltechnik der beteiligten EWE Energie AG: „Mit dem Testfeld alpha ventus haben wir unter Beweis gestellt, dass Offshore auch in Deutschland technisch machbar ist.“ In der Branche herrscht Aufbruchstimmung. Sven Utermöhlen, Geschäftsführer der E.ON Climate and Renewables Central Europe GmbH: „Alpha ventus hat uns darin bestärkt, unsere Folgeprojekte in der Deutschen Bucht voranzutreiben.“
Bisher hat das in der Regel zuständige Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) knapp 30 Windpark-Projekte in Nord- und Ostsee genehmigt. In der Ostsee steht der kommerzielle Offshore-Windpark Baltic 1 unmittelbar vor der Fertigstellung, in der Nordsee lieferte das noch im Bau befindliche Projekt BARD Offshore 1 im Dezember 2010 erstmals Strom ans Festland. Nach Angaben der Europäische Kommission sind europaweit Projekte mit einer Gesamtkapazität von 140 Gigawatt auf dem Meer in Planung.
Der Aufschwung der Offshore-Windindustrie beschert auch der Kabelindustrie neue Aufträge. Von der Turmverkabelung über die interne Windparkverkabelung bis hin zum Anschluss an das Stromnetz auf dem Festland sind Kabel bei der Stromerzeugung auf dem Meer allgegenwärtig. Die einzelnen Windkraftanlagen eines Windparks sind über ein Mittelspannungsnetz mit der Umspannplattform verbunden. Hier wird der Strom auf eine Spannungsebene von in der Regel 150 Kilovolt transformiert, die den verlustarmen Transport über eine größere Entfernung ermöglicht. Die großen Entfernungen zur Küste machen die Netzanbindung eines Offshore-Windparks vor der deutschen Küste zu einem technisch und logistisch komplexen Unterfangen. Die Umspannplattform wird mit zwei oder mehr Seekabeln mit dem Stromnetz an der Küste verbunden, die von Spezialschiffen auf dem Meeresboden verlegt werden. Sie haben einen Durchmesser von bis zu 25 Zentimetern und wiegen bis zu 120 Kilogramm pro Meter, ein ganzes Kabel hat ein Gewicht von mehreren Tausend Tonnen. Der Netzanschluss ist ein erheblicher Zeit- und Kostenfaktor, der mit über das Gelingen eines Offshore-Projekts entscheidet. Laut einer Studie des Deutschen CleanTech Instituts (DCTI) entfallen auf ihn zwischen 15 und 30 Prozent der Kosten einer durchschnittlichen Offshore-Windkraftanlage. Laut Gesetz ist die Anbindung Aufgabe des nächstgelegenen Netzbetreibers, der auch die Kosten trägt. Aber ungeklärte Rechtsfragen, beispielsweise unter welchen Voraussetzungen der Netzbetreiber zum Bau einer Anschlussleitung verpflichtet ist, ziehen die Genehmigungsverfahren in die Länge und erhöhen das unternehmerische Risiko erheblich.
Abhilfe will die Politik schaffen. Um die Netzanbindung und -integration der Windparks voranzutreiben, wollen die zehn Nordsee-Anrainerstaaten unter der Nordsee in den kommenden zehn Jahren ein gemeinsames Offshore-Stromnetz errichten. Das soll nicht nur die zahlreichen geplanten Offshore-Anlagen einbinden und zu einer zuverlässigeren Windstromversorgung führen, sondern nebenbei auch den Stromhandel zwischen den Anrainerstaaten ermöglichen und so den Wettbewerb und die Versorgungssicherheit fördern. Eine entsprechende Vereinbarung unterzeichneten die Minister der Nordsee-Länder und die Europäische Kommission Anfang Dezember 2010 in Brüssel. Stellvertretend für die europäische Windindustrie begrüßte die European Wind Energy Association den Schritt, und auch die Seekabel-Produzenten dürfen sich freuen: Laut einer Greenpeace-Studie aus dem Jahr 2008 müssten für die Umsetzung des Vorhabens bis zu 6200 Kilometer Kabel unter der Nordsee verlegt werden.
F. Wassenberg
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