Die Berliner GEFERTEC GmbH geht neue Wege in der additiven Verarbeitung von Metallen: 5-Achs-Anlagen schweißen Draht im Lichtbogenverfahren Lage für Lage aufeinander. Die so gefertigten Rohlinge kommen der Endkontur sehr nahe, was den Zeit- und Werkzeugeinsatz der spanenden Nachbearbeitung minimiert.
Herr Röhrich, können Sie die GEFERTEC GmbH kurz vorstellen?
Tobias Röhrich: Mein Kollege Georg Fischer und ich haben GEFERTEC Anfang 2015 gegründet. Wir hatten uns als wissenschaftliche Mitarbeiter zuvor an der TU Berlin kennengelernt. Ursprung war die Frage, warum eigentlich alle Hersteller von Additive Manufacturing (AM)-Anlagen im Metallbereich auf das Pulverbettverfahren setzen. Wir selbst kommen aus der Schweißtechnik und wussten um die Vorteile von Draht. Erste Versuche zeigten, dass der schichtende Aufbau von Bauteilen aus Draht gut funktioniert. Da Laser hier kaum Vorteile bieten, haben wir auf das preiswerte, unkomplizierte Lichtbogenschweißen umgestellt. Wir haben dann die Gründung vorangetrieben und in der Scansonic Gruppe einen starken Partner gefunden. Im letzten Herbst haben wir unsere Anlage vorgestellt und erste Kunden haben sie bereits im Einsatz.
Auf welche Bereiche im Additive Manufacturing zielen Sie als Anlagenbauer ab?
TR: Unsere Kunden kommen aus unterschiedlichen Branchen. Weil sich unser Verfahren auch für den schnellen Aufbau großer Bauteile eignet, gibt es große Nachfrage aus dem Werkzeug- und Formenbau, der Tiefzieh- oder Spritz- und Druckgusswerkzeuge damit fertigt. Daneben ist die Luftfahrt sehr interessiert, um große Titanbauteile günstig zu produzieren. Auch im allgemeinen Maschinenbau und Job-Shops registrieren wir großes Interesse. Das Kundenspektrum reicht vom kleinen Mittelständler bis zum Weltkonzern.
Welche Materialauswahl können Nutzer in Ihren Anlagen verarbeiten?
TR: Praktisch alle schweißbaren Drähte. Es gibt eine große Bandbreite an Aluminiumlegierungen, an Titan-, Nickel- und Kupfer-Basislegierungen und verschiedenste Stähle vom Baustahl für unter einen Euro pro Kilogramm über hochlegierte Edelstähle bis zu Werkzeugstählen. Es gibt mehrere hundert Legierungen, die als Schweißdraht angeboten werden. Je teurer und je schwerer zerspanbar das Material, desto interessanter ist unser Verfahren für Kunden, weil wir konturnahe Rohlinge fertigen, bei denen nicht mehr aus dem Vollen gefräst werden muss, sondern nur noch die Endkontur freigelegt wird. Bei den Rohlingen sprechen wir daher statt von Halbzeugen von „Sieben-Achtelzeugen“. Wo bisher mechanisch gearbeitet, gefräst und gesägt wird, bietet unser Verfahren eine zeit-, ressourcen- und energieeffiziente Alternative, die obendrein den Werkzeugverschleiß minimiert.
Und anders als bei anderen additiven Verfahren lassen sich all diese Vorteile mit herkömmlichen, zerspanend denkenden Konstruktionen heben. Um auch komplexe Bauteile aufbauen zu können, findet der Schweißprozess in einer 5-Achs-CNC-Maschine statt. Der Draht wird über die X-, Y- und Z-Achse bewegt, während das Bauteil auf einem Drehkipptisch ruht. So lassen sich beliebige Formen inklusive Überhänge realisieren – ganz ohne Stützstrukturen.
Worin unterscheiden Sie sich von Ihren Marktbegleitern?
TR: Es gibt keinen anderen Anbieter, der wie wir auf den Lichtbogen-Draht-Prozess setzt und schon heute eine sofort einsatzfähige Maschine samt CAM-Software liefern kann. Und wie gesagt ist keine additive Neukonstruktion nötig, damit es sich rechnet. Damit bewegen wir uns in einem ganz anderen Marktsegment als die Anbieter von Pulverbettanlagen.
Zudem lassen sich auch große Bauteile sehr schnell realisieren. Wir verarbeiten Drähte von 0,8 bis 1,6 Millimeter Stärke, wobei es meist 1,0-1,2 Millimeter sind. Der Vorteil: Die Materialien sind genormt, für verschiedene Branchen zertifiziert, und auch das Verfahren beruht auf etablierter Schweißtechnologie inklusive unterschiedlichster Prozessgase, um den Prozess für die jeweiligen Legierungen zu optimieren. Ein weiterer Unterschied: Unser Verfahren wird vor allem für Bauteile ab einem Liter Volumen interessant.
Wo sehen Sie die größten technologischen Herausforderungen der Anlagentechnik?
TR: Einerseits geht es um noch schnellere Aufbauraten. Andererseits arbeiten wir daran, für die Bearbeitung von Kanälen und Hohlräumen, die im Nachgang nicht mehr erreichbar sind, Frästechnik in unsere Maschinen zu integrieren. Und wir arbeiten an Industrie-4.0-Themen, etwa um die Daten, die im Schweißprozess anfallen, für die effizientere Gestaltung des generativen Aufbauprozesses zu nutzen.
Die Industrie wünscht automatisierte Prozessketten, die Fertigungs- und Nachbearbeitungstechnik unterschiedlicher Hersteller per Plug&Play verbinden. Ist das aus Ihrer Sicht realistisch?
TR: Die Prozesskette ist ein entscheidender Erfolgsfaktor. Wir haben den Vorteil, dass wir dieselben Steuerungen und Softwaretools einsetzen, die auch in den Nachbearbeitungsanlagen genutzt werden. So sind geschlossene Daten- und Prozessketten von der CAD-Konstruktion bis zur spanenden Bearbeitung unserer Rohlinge vergleichsweise einfach machbar. Ich stelle mir vor, dass künftig um eine Fräse drei bis vier unserer Maschinen stehen, aus denen ein Roboter die fertigen „Sieben-Achtelzeuge“ per „pick & place“ an die Fräse übergibt. Das minimiert die Stillstandzeiten der Fräsanlage, und unsere Anlagen können rund um die Uhr arbeiten.
Sie haben sich der Arbeitsgemeinschaft Additive Manufacturing im VDMA angeschlossen. Mit welchen Zielen und Interessen?
TR: Es geht uns um Zugang zu diesem Netzwerk und darum, auch langfristig am Puls der Zeit zu bleiben. Zudem ist uns der Austausch mit den Entwicklern anderer additiver Verfahren wichtig, und wir möchten uns in die Diskussionen rund um die Automatisierung einbringen. Denn es ist gut denkbar, dass in industriellen Prozessketten künftig verschiedene Verfahren des Additive Manufacturing verknüpft werden. Dafür ist es wichtig, frühzeitig mit den unterschiedlichen Akteuren ins Gespräch zu kommen und gemeinsame Visionen zu entwickeln und umzusetzen.
Herr Röhrich, danke für das Gespräch!