H.C. Starck entwickelt und produziert Metallpulver für die additive Fertigung. Im Interview spricht Dr. Rainer Leo Meisel, Senior Manager Applied Technology Metal Powders bei der H.C. Starck Surface Technology and Ceramic Powders GmbH in Laufenburg, über die hohe Marktdynamik, das wachsende Materialangebot und die Kooperation mit Anlagenbauern und Anwendern bei der Entwicklung neuer Legierungen.
Herr Dr. Meisel, welche Rolle spielt Additive Manufacturing bisher für H.C. Starck und wie bewerten Sie das Potential?
Dr. Rainer Leo Meisel: Additive Manufacturing spielt in der H.C. Starck-Gruppe eine große Rolle. Ich persönlich spreche für die H.C. Starck Surface Technologies und Ceramic Powders GmbH, die verdüste Metallpulver für Additive Manufacturing herstellt. Gerade in diesem Bereich sehen wir Additive Manufacturing als Anwendung mit sehr großem Potential, die fest in unserer Firmenstrategie verankert ist.
Wir sind früh gestartet, haben uns eine starke Position im Markt erarbeitet und wollen unser starkes Wachstum fortsetzen. Wir spüren die enorme Entwicklung im Markt durch zahlreiche Anfragen nach geeigneten Pulvern. Die Anlagenbauer kommen kaum nach mit der Fertigung der Anlagen. Und wir hören von Anbietern der Verdüsungsanlagen, dass auch bei Ihnen die Nachfrage stark gestiegen ist. Hintergrund ist, dass die Technologie immer mehr Anwendungsgebiete erschließt. Gerade habe ich gelesen, dass ein Kavernenkraftwerk hier in der Region Ersatzteile auf einer eigenen Anlage additiv fertigt.
Welche Pulver bieten Sie für die additive Fertigung an?
Meisel: Wir produzieren verschiedene Nickel-, Kobalt- und Eisenbasislegierungen, die unter anderem als Superlegierungen für Hochtemperaturanwendungen eingesetzt werden können. Unsere Kobaltchromlegierungen werden seit vielen Jahren in der Medizintechnik verwendet. Auch diverse hochwertige Luftfahrtlegierungen bieten wir an. In letzter Zeit erleben wir zudem eine zunehmende Nachfrage an Edelstahlpulvern.
…wie sieht es mit Kunststoffen oder Keramikpulvern aus?
Meisel: Kunststoffe sind nicht in unserem Produktportfolio enthalten. Für Keramikpulver gibt es von Zeit zu Zeit Anfragen. Dennoch ist die Marktgröße momentan vergleichsweise gering. Wolfram und Wolframcarbid, Molybdän oder Tantal sind vielversprechende Kandidaten, die heute in Forschungsprojekten in kleineren Mengen verarbeitet werden.
Wie bewerten Sie die Chance, das begrenzte Materialangebot im Markt kurz- und mittelfristig zu erweitern?
Meisel: Das ist ja bereits voll im Gange. Wir stellen in unseren Verdüsungstürmen verschiedenste Legierungen her. Unsere Produktionsanlagen sind für große Produktionsvolumen bestens geeignet. Zusätzlich haben wir aber auch Anlagen in denen wir kleine Mengen produzieren, was ideal für die Entwicklungs-und Forschungszwecke unserer Kunden ist. In aller Regel werden die Pulver für die additive Fertigung mit einem Inertgas verdüst. Bei alternativen Verdüsungsverfahren, wie der Wasserverdüsung, führt der Sauerstoffgehalt der Pulver zu ungenügenden mechanischen Eigenschaften der Bauteile. Dies würde nicht zu den Anforderungen der generativen Fertigung passen. Die Gasverdüsung bietet allerdings genug Möglichkeiten, um die Materialvielfalt zu erhöhen.
Wo liegen die technologischen Herausforderungen beim Entwickeln neuer Materialien für die additive Fertigung?
Meisel: Das Entwickeln optimaler Werkstoffe ist von elementarer Bedeutung für die additive Fertigung. Hierfür ist eine enge Kooperation mit Anwendern oder Anlagenbauern von großem Vorteil. Diesbezüglich passiert bei uns momentan eine Menge. Wir entwickeln die Legierungen mit Kunden anwendungsspezifisch, variieren Legierungszusammensetzung und Rezepturen. Hier ist unsere kleine Verdüsungsanlage wichtig, weil wir uns mit dem jeweiligen Kunden iterativ der optimalen Rezeptur für spezifische Anwendung nähern können.
Das stößt auf enorme Resonanz im Markt. Denn die Herausforderungen liegen vor allem darin, schnell auf veränderte Bedingungen im Markt zu reagieren. Und genau das können wir mit unserer Versuchsanlage. Alles in allem wächst die Vielfalt. Es kommen verstärkt anwendungsspezifische Legierungen mit individueller Rezeptur zum Einsatz. Fest steht, dass die Anfangsphase, in der Pulver aus der klassischen Pulvermetallurgie zum Einsatz kamen, eindeutig überwunden ist.
Erwarten Sie durch Additive Manufacturing in Zukunft Verschiebungen in Rohstoffmärkten?
Meisel: Das ist schwierig zu beantworten. In den herkömmlichen pulvermetallurgischen Verfahren werden laut European Powder Metallurgy Association (EPMA) 1 Million Jahrestonnen weltweit verarbeitet. Mittelfristig wird es durch Additive Manufacturing sicherlich Zuwächse in der Metallpulvernachfrage geben.
Mit welchen Zielen und Interessen haben Sie sich der Arbeitsgemeinschaft Additive Manufacturing angeschlossen?
Meisel: Ganz klar: Es geht uns um die Vernetzung mit anderen Akteuren im Markt. Dafür bietet die Arbeitsgemeinschaft eine gute Plattform. Wir sehen uns aber auch ein wenig als Mittler zwischen den Market Playern. Einerseits, um unsere Sicht als Materialhersteller darzulegen. Andererseits, weil wir bereits in diversen Standardisierungs- und Normungs-Gremien mitarbeiten.
Wir sollten als junge Branche darauf achten, dass wir möglichst effektiv arbeiten und Parallelarbeiten vermeiden. Momentan schießen viele Arbeitskreise aus dem Boden. Da bedarf es aus unserer Sicht zuweilen besserer Koordinierung. Dazu können und wollen wir beitragen, weil wir durch die Mitarbeit in verschiedenen Gremien mitbekommen, was läuft und wo Dopplungen drohen. Gemeinsam können wir so die Weiterentwicklung des Additive Manufacturing vorantreiben.
Herr Dr. Meisel, vielen Dank für das Gespräch!
Quelle: H.C. Starck | VDMA
Redaktion: Frank Lindner