Runter mit dem Gewicht — das ist ein Weg, den Energiebedarf von Autos, Flugzeugen und Zügen zu senken und so auch den Kohlendioxid-Ausstoß zu reduzieren. Leichtbau gilt als Schlüsseltechnologie, um Ressourcen effizienter einzusetzen und hochwertige Produkte fertigen zu können.
Im Flugzeug wird zunehmend der leichte Werkstoff Carbon verbaut – wichtige Grundlagen dafür liefern Fraunhofer-Forscher © Fraunhofer
Leichtbau als Schlüsseltechnologie
Einparkhilfe, Airbags, Antiblockiersystem, Sitzheizung – Autos werden immer komfortabler und sicherer, aber auch schwerer. Die beliebten Sport Utility Vehicles, kurz SUV genannt, bringen schon mal zwei Tonnen und mehr auf die Waage. Aber auch Klein- und Mittelklassewagen wiegen meist mehr als 1,2 Tonnen. Doch nun heißt es Abspecken: Denn von 2020 an gelten in Europa strengere Grenzwerte für die Kohlendioxid-Emissionen von Fahrzeugen. Dann sollen neue Autos im Schnitt nur noch maximal 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen – derzeit sind es noch 130 Gramm.
Um diese Vorgaben zu erfüllen, müssen die Wagen leichter werden: Wiegt ein Auto 100 Kilogramm weniger, reduziert sich der Spritbedarf um 0,4 Liter pro 100 Kilometer; Kohlendioxid-Emissionen sinken um bis zu zehn Gramm. Eine Möglichkeit zur Gewichtsersparnis, bietet die Karosserie. Noch setzen Autobauer hier vor allem auf den Werkstoff Stahl. Dass dies sich ändern wird, ist das Ergebnis der Studie »Karosserieleichtbau – Raus aus der Nische« der Unternehmensberatung Berylls Strategy Advisors. Künftig werden verstärkt Leichtbaumaterialien wie hochfester Stahl, Aluminium, Magnesium oder Verbundwerkstoffe verbaut.
Interessant ist der Leichtbau nicht nur für Autobauer. Auch Hersteller von Flugzeugen, Zügen, Windkraftanlagen, Maschinen und Anlagen wollen das Gewicht ihrer Produkte senken. Die McKinsey-Studie »Lightweight, heavy impact« prognostiziert, dass der weltweite Markt für Leichtbaumaterialien jährlich um acht Prozent wachsen wird, auf mehr als 300 Milliarden Euro in 2030.
Laserunterstütztes Tape-Legen einer 3D-Geometrie © Fraunhofer IPT
»In Zeiten knapper werdender Ressourcen und eines steigenden Umweltbewusstseins gehört der Leichtbau zu den Schlüsseltechnologien«, betont Professor Andreas Büter, Sprecher der Fraunhofer-Allianz Leichtbau (siehe Kasten). Doch während Ingenieure im Umgang mit Stahl über langjährige Erfahrungen verfügen, steht das Fertigen mit Leichtmetallen, Metallschäumen und Verbundwerkstoffen erst am Anfang. Hier gibt es noch Forschungs- und Entwicklungsbedarf.
»Es gilt einen wirtschaftlichen Kompromiss zu finden zwischen Gewichtsminderung auf der einen Seite und hinreichender Steifigkeit, Stabilität und Betriebsfestigkeit auf der anderen Seite«, sagt Büter. »Die Herausforderung ist, das richtige Material am richtigen Platz zu verwenden.«
Innovative Leichtbaulösungen können mehr
Großes Potenzial für den Leichtbau haben kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe, kurz CFK. CFK-Komponenten, umgangssprachlich auch als Carbon-Bauteile bezeichnet, sind häufig nur etwa halb so schwer wie Stahlbauteile und dennoch genauso crashsicher. Die Formel 1 setzt schon seit Jahren auf den ultraleichten Werkstoff. Und auch bei Verkehrsflugzeugen lösen CFK langsam den Werkstoff Metall ab.
Anders ist es im Autobau. In Serienwagen kommt der leichte Werkstoff selten zum Einsatz. Die Gründe: Noch sind CFK-Bauteile deutlich teurer als die gleichen Komponenten aus Stahl. Zudem ist die Fertigung aufwändig. Dennoch beginnen auch erste Autohersteller, Carbonfaser zu nutzen.
»Innovative Leichtbaulösungen können mehr als nur das Gewicht senken«, weiß Professor Frank Henning vom Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT in Pfinztal bei Karlsruhe. Der Experte leitet den Lehrstuhl für Leichtbautechnologie am Institut für Fahrzeugsystemtechnik am Karlsruhe Institut für Technologie KIT und die Abteilung Polymer Engineering am ICT.
»Dank neuer Fertigungsverfahren lassen sich sogar komplexe Bauteile komplett in einem Stück herstellen, die verschiedene Funktionen in sich vereinen«, schwärmt Henning. ICT-Forscher kombinierten zwei Produktionstechniken, um einen crashrelevanten Pkw-Sitzquerträger samt Kabeldurchbrüchen und integrierter Sitzanbindungen aus Faserverbundwerkstoffen serientauglich zu fertigen.
Das Bauteil lässt sich in weniger als vier Minuten herstellen. Zunächst wird ein Rohling aus Fasern geflochten. »Mit Flechttechnik hergestellte Strukturen nehmen viel Energie auf und gewährleisten eine enorme Schadenstoleranz«, erläutert Michael Karcher, Projektleiter am ICT. Weiterer Vorteil: Das hochautomatisierte robotergestützte Verfahren liefert reproduzierbare Bauteile und kaum Verschnitt. Der Flechtrohling wird dann mit Harz gefüllt und unter Wärme und Druck in einer Presse ausgehärtet.
»Diese Hochdruck-RTM (Resin Transfert Molding)-Technologie eignet sich für die Produktion von großen und komplexen Bauteilgeometrien in Serie. Die fertigen Komponenten haben eine gute Oberflächenqualität, einen geringen Lunker- und Porengehalt und verfügen über ausgezeichnete Material- und Bauteileigenschaften«, betont Karcher.
Carbon- und hanffaserverstärktes Bauteil – Karosserie aus Baumwolle, Hanf und Holz © Fraunhofer Institut, Photo: Manuela Lingnau
Fertigen in Serie
Trotz aller Vorzüge sind komplexe Bauteile aus faserverstärkten Kunststoffen bei Serienprodukten noch selten im Einsatz. Denn oft sind die Fertigungskosten zu hoch. Das soll sich ändern. Fraunhofer-Forscher arbeiten an neuen Herstellungsverfahren, die sich auch für große Stückzahlen eignen.
Sollen sich Leichtbau-Komponenten künftig auf dem Markt durchsetzen, müssen sie sich nicht nur kostengünstig in Serie fertigen lassen, sondern auch sicher und zuverlässig funktionieren. Fraunhofer-Wissenschaftler erarbeiten daher Berechnungen, mit denen sich die Schadenstoleranz der Materialien ermitteln lässt, und analysieren mit speziellen Verfahren die Beständigkeit der Bauteile gegenüber den starken mechanischen und thermischen Wechselbelastungen im täglichen Einsatz.
Um die Qualität von Bauteilen aus faserverstärkten Kunststoffen FVK zu prüfen, nutzen die Experten bisher Ultraschallverfahren. Forscher des Fraunhofer-Instituts für zerstörungsfreie Prüfverfahren IZFP entwickelten das System weiter. Mit der Sampling-Phased-Array-Technologie (SPA) lassen sich sogar komplexe Faserverbundbauteile schnell und zuverlässig auf mögliche Fehler untersuchen.
Eine weitere Herausforderung für den Leichtbau: Komponenten und Materialien sollen sich nach dem Gebrauch auch wiederverwerten lassen. »Innovativer Leichtbau muss über den gesamten Lebenszyklus betrachtet werden – von der Auslegung über die Fertigung, Erprobung und den Einsatz bis zum Recycling«, betont Prof. Büter. Wie sich zum Beispiel Faserverbundkunststoffe FVK umweltfreundlicher gestalten lassen, zeigen Forscher des Anwendungszentrums für Holzfaserforschung HOFZET des Fraunhofer-Instituts für Holzforschung, Wilhelm-Klauditz-Institut WKI in Braunschweig.
Sie kombinieren Kohlenstofffasern mit verschiedenen biobasierten Textilfasern aus Hanf, Flachs, Baumwolle oder Holz. Das Ergebnis: Die Bauteile sind kostengünstig, haben eine sehr hohe Festigkeit, gute akustische Eigenschaften und sind deutlich ökologischer als reine Carbon-Bauteile.
Blue Train: Dank innovativem Aluminiumschaum konnte eine Gewichtseinsparung von 20 Prozent gegenüber konventionell gefertigten Triebkopfhauben erreicht werden. Zudem sinken die Werkzeugkosten um 60 Prozent. © Fraunhofer IWU
Leichtmetalle und Metallschäume
Faserverbundwerkstoffe sind Leichtbaumaterialien mit Perspektive. Aber auch das Potenzial von Metallen ist noch nicht ausgereizt. Hochfeste Stähle, Aluminium und Magnesium helfen, das Gewicht von Wagen und Co. deutlich zu reduzieren. Künftig werden vor allem Autobauer verstärkt auf hochfesten Stahl setzen. Aber auch Leichtmetalle können Herstellern helfen, das Gewicht ihrer Produkte zu reduzieren.
Neue Möglichkeiten eröffnen Metallschäume, aus denen man leichte und stabile Komponenten herstellen kann. Sie haben eine ähnliche Struktur wie Knochen. Ein Pionier bei der Entwicklung der geschäumten Metalle ist das Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM in Bremen. Heute arbeiten viele Gruppen – darunter auch das IWU – an den luftigen Materialien.
Meist werden die Metallschäume als Sandwich angeboten – mit einem Schaumkern zwischen zwei massiven Deckblechen. Solche Strukturen sind nicht nur leichter als massive Bleche, sondern haben auch eine höhere Biegefestigkeit.
Fraunhofer-Forscher legen wichtige Grundlagen, damit Wagen, Flugzeug-, Maschinen- und Anlagen künftig weniger Energie verbrauchen. Sie helfen, den Leichtbau fit für die Serienfertigung zu machen.